Hallo Anett. Was bedeutet eigentlich oñondive?
Oñondive ist Guaraní und bedeutet „zusammen“ oder „gemeinsam“. Guaraní ist eine indigene Sprache und in Paraguay auch als Amtssprache anerkannt. Der Begriff gefiel uns so gut, weil er den Fokus gleich auf die indigenen Völker Lateinamerikas lenkt und weil wir uns eben „gemeinsam“ mit unseren Partnern in Paraguay, Peru und El Salvador für die Interessen der Menschen einsetzen möchten, die dort leben. Die Idealvorstellung wäre natürlich, dass auch vor Ort in Lateinamerika viel mehr Entscheidungen gemeinsam getroffen würden und die indigene Bevölkerung nicht an den Rand der Gesellschaft gedrängt, sondern einbezogen würde.
Kannst Du die Situation der Indigenen in Lateinamerika kurz beschreiben?
Die indigenen Bevölkerungsgruppen sind am häufigsten von Arbeitslosigkeit und Armut bedroht. Sie haben keinen oder nur geringen Zugang zu Bildung und damit auch keine Perspektiven für die Zukunft. Die einzige Hoffnung, die viele haben, ist die illegale Grenzüberquerung in die USA. Die Menschen verlassen ihre Heimat, um in den USA Arbeit zu finden und ein wenig Geld zu verdienen. Viele Kinder und Jugendliche wachsen deshalb ohne ihre Eltern auf.
Also setzt die Arbeit der Projekte bei den Kindern und Jugendlichen in ländlichen Regionen an?
Zum Teil ja. Ziel der Projekte ist es nicht nur, das Selbstbewusstsein der jungen Menschen zu stärken, sondern auch ihr Regionalbewusstsein. In Zusammenarbeit mit den Projekten vor Ort möchte der Verein einen kleinen Beitrag dazu leisten, die Lebensumstände der lateinamerikanischen Indigenen zu verbessern, damit es in Zukunft für sie auch andere Perspektiven gibt, als ihre Heimat zu verlassen. Es soll für sie die Möglichkeit geben, sich da etwas aufzubauen, wo sie herkommen. Das ist auch die Thematik unseres dritten Partnerprojektes: Tarumandymí ist eine Gemeinde in Paraguay, wo die sogenannten Mbya-Indigenen siedeln. Leider gibt es aber eine Uneinigkeit von Anett Voß und Claudia Zenker zwischen der Organisation „Sin Techos“ - das heißt wörtlich übersetzt „Ohne Dächer“ - und dem paraguayanischen Institut für Indigene, genannt INDI, in deren Verantwortungsbereich die Problematik der Mbya fällt, denn auch „Sin Techos“ erhebt Anspruch auf das Land, auf dem die Mbya siedeln. Die Projektgemeinde befindet sich im Aufbau – mittlerweile gibt es dort ein religöses bzw. spirituelles Zentrum, die Menschen betreiben ein wenig Landwirtschaft und die Kinder werden von zwei Lehrern unterrichtet. Jedoch wurde der Gemeinde bislang der Bau einer Schule verweigert. Tarumandymí sollte sich weiterentwickeln, den Mbya weiterhin Heimat sein und ihnen die nötigen Ressourcen bieten. Das wäre ein großer Erfolg für die ansässigen Indigenen.
Könntest Du die Partnerprojekte des Vereins kurz vorstellen?
Gern. Neben dem gennanten Projekt in Paraguay gibt es außerdem die Gemeinde San Luis in El Salvador, wo es eine Klinik und eine Musikschule gibt. In der Musikschule, die vom Dorfpfarrer geleitet wird, können Kinder und Jugendliche ein Instrument erlernen und gemeinsam musizieren. Die Klinik ist eine große Bereicherung für die Region und ermöglicht auch denjenigen ärztliche Betreuung, die sich sonst keine leisten könnten. In Peru unterstützen wir ein Projekt, das Nachmittagsbetreuung für Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren anbietet. Beide Projekte zielen darauf ab, den Kids auch Aktivitäten anzubieten, die sonst nicht zu ihrem Alltag in Armut am Rande der Gesellschaft gehören. Durch die aktive Freizeitgestaltung soll das Selbstbewusstsein der Kids gestärkt werden. Sie sollen verstehen, dass sie etwas bewirken können, dass sie Veränderungen herbei führen können und dass sie den Umständen in ihrem Land oder ihrem Dorf nicht hilflos ausgeliefert sind.
Und welche Rolle nimmt oñondive angesichts dieser Problematik ein?
Oñondive möchte in Dresden auf die Probleme in Lateinamerika aufmerksam machen und im besten Fall können wir finanzielle und materielle Mittel akquirieren, die dann unseren Partnerprojekten vor Ort zugute kommen. Die Arbeit für die Menschen in den Gemeinden in Paraguay, Peru und El Salvador leisten natürlich unsere Partnerprojekte. Sie sollen den Menschen Alternativen aufzeigen und vermitteln, dass jeder Mensch einen ganz eigenen Wert hat.
Wie kommt oñondive eigentlich zu den Projekten in Lateinamerika?
Die drei Projekte, die der Verein im Moment unterstützt, sind tatsächlich auch die Projekte, für die wir, das heißt meine beiden Freundinnen und ich, in Lateinamerika tätig waren bzw. immer noch sind. Eine von uns ist auch jetzt in einem der Partnerprojekte von oñondive in Paraguay aktiv. So hat der Verein auch eine ganz direkte Verbindung nach Lateinamerika.
Also hattest Du von Anfang an Mitstreiter?
Ja. Ungefähr zu der Zeit, als ich selbst in El Salvador war, hat eine Freundin von mir für Projekte in Paraguay gearbeitet. Auch sie wollte sich danach gern von Deutschland aus weiterhin engagieren. Eine weitere Freundin hatte Erfahrungen in Peru gemacht und war dort für ein Projekt tätig, das sich Kindern und Jugendlichen in der Stadtrandsiedlung „Challhua“, einem Slum, widmet.
Wie kam es zu der Idee, einen Verein zu gründen?
Ich habe selbst 2004 und 2005 jeweils für ein paar Monate als Freiwillige in San Luis de la Reina in El Salvador gearbeitet. Als ich wieder zurück in Deutschland war, wollte ich Paolo Edgardo Hernández, den Leiter der dortigen Projekte und katholischen Dorfpfarrer, gern von hier aus weiterhin unterstützen. Leider musste ich feststellen, dass es als Privatperson extrem schwierig ist, finanziell oder materiell unterstützend tätig zu werden. Ein Verein hat da ganz andere Möglichkeiten.
Seit wann gibt es oñondive eigentlich?
Wir haben oñondive im Juli 2011 gegründet. Der Verein ist also noch ganz jung und feiert diesen Sommer sein zweijähriges Bestehen.
Und wie viele Mitglieder hat oñondive heute?
Im Moment sind wir acht Personen, die sich für den Verein engagieren. Unser Hauptquartier ist immer noch die Wohnung eines Vereinsmitgliedes. Da treffen wir uns, tauschen uns aus und koordinieren beispielsweise die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins.
Welche Möglichkeiten nutzt oñondive jetzt?
Zunächst einmal hat der Verein eine repräsentative Wirkung. Mit oñondive im Rücken können wir viel besser auf uns und unsere Partnerprojekte in Lateinamerika aufmerksam machen. Darüber hinaus können wir zum Beispiel Förderanträge stellen und ganz legitim Spenden sammeln.
Ist oñondive nur im Ausland tätig?
Nein, oñondive ist auch hier in Dresden aktiv. Wir engagieren uns für den Antirassismus und leisten Bildungsarbeit in Kindergärten und Schulen. Zum Beispiel bieten wir in Kindergärten ein 4-Tages-Projekt zum Thema Peru an. Dabei wird den Kindern die peruanische Lebensweise spielerisch näher gebracht. Wir beschäftigen uns dann mit Themen wie Natur, Kultur, Märchen und Sagen, Musik und Kochen. In Schulen realisieren wir Projekte zum Thema Jugendbanden. In El Salvador gibt es beispielsweise die „Maras“. Manchmal werden wir auch in den Spanischunterricht eingeladen und sprechen dann auf Spanisch darüber. Das neueste Thema, zu dem oñondive mittlerweile auch einen Vortrag anbietet, heißt „Die Stellung der indigenen Frau in Lateinamerika“. Auf diese Weise möchten wir als Verein das Interesse der Kinder und Jugendlichen für Lateinamerika wecken. Auch bieten wir Themenabende an. Im Januar gab es einen solchen zu Paraguay und der jetzigen Musikschule in San Luis, Situation des Landes. Dazu hatten wir einen Referenten geladen und einige Interessierte sind erschienen.
Wie genau macht ihr auf die Aktivitäten von oñondive aufmerksam?
Zum Beispiel mit Ausstellungen. 2012 haben wir eine Fotoausstellung der bischöflichen Aktion Adveniat in Essen nach Dresden geholt, die Bilder von Kindern und Jugendlichen in Lateinamerika zeigte und die schwierigen Situationen dokumentierte, in denen sie leben. Bei der Vernissage der Ausstellung haben wir gegen eine kleine Spende traditionelle lateinamerikanische Speisen angeboten und während der Dauer der Ausstellung eine Spendenbox aufgestellt. Das Geld, das wir so sammeln konnten, ging den Projekten in San Luis in El Salvador zu, die ich ja selbst gut kenne.
Das ist also der Status quo. Könntest Du für uns die konkreten Ziele der Arbeit von oñondive in nächster Zeit benennen?
Zunächst einmal möchten wir die drei bestehenden Projekte weiterhin unterstützen, wo wir können, und zu diesem Zweck noch mehr Mittel zur Verfügung stellen. Wir brauchen ganz dringend ehrenamtliche Unterstützung im Verein, also wenn jemand Lust und Zeit hat, ist er herzlich willkommen. Für die Zukunft wäre es besonders toll, wenn wir über den Verein Freiwillige akquirieren könnten, die sich gern in Lateinamerika engagieren und ein Projekt mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten unterstützen möchten. Zum Beispiel würden wir gern deutsche Medizinstudenten für eine Zeit im lateinamerikanischen Ausland begeistern, denn mit ihrer guten Ausbildung könnten sie der Klinik in San Luis eine große Hilfe sein.
Dann bleibt mir an dieser Stelle nur, Euch weiterhin viel Freude an Eurer ehrenamtlichen Arbeit zu wünschen.
Vielen Dank für das Interview gilt Anett Voß.
Das Interview führte Claudia Zenker für fairquer.
Der oñondive e.V. freut sich über neue und alte Musikinstrumente – nur kaputt sollten sie nicht sein –, die zu gegebener Zeit gesammelt an die Musikschule in El Salvador gesendet werden sollen. Weitere Informationen:
oñondive e.V.Bünauplatz 1
01159 Dresden
T: 0351 / 476 9667
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WWW: www.onondive.de