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Was Weihnachten mit der einen Welt zu tun hat Hp.Baumeler / Wikipedia CC BY-SA 4.0

Was Weihnachten mit der einen Welt zu tun hat

geschrieben von  Dez 14, 2018

Alle Jahre wieder werden Advent und Weihnachten ein Fest des Kaufens und des Konsums – den Preis dafür zahlen auch Menschen in anderen Ländern mit niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen. Dabei richtet sich die Weihnachtsbotschaft zuerst an die am meisten Benachteiligten.

Von Uwe Schnabel

 
"Süßer die Kassen nie klingeln als zu der Weihnachtszeit" beim Kauf von Geschenken, Weihnachtsbäumen und Nahrungsmitteln, auf teilweise überfüllten Weihnachtsmärkten und bei Advents- und Weihnachtsfeiern in Betrieben und Organisationen. Damit verbunden ist viel Stress bei den entsprechenden Vorbereitungen. Die Erwartungen an ein schönes Weihnachtsfest sind teilweise sehr groß, was weiteren Frust und Enttäuschungen verursacht. So dass nach Weihnachten eigentlich viel Ruhe gebraucht wird, sofern dann nicht die Familienfeiern und Silvester dies verhindern. "Alle Jahre wieder" wird darauf hingewiesen, dass Weihnachten eigentlich etwas anderes bedeutet.
 
Aber wofür steht eigentlich Weihnachten?
Alle Menschen sehnen sich nach Akzeptiertwerden, Geborgenheit, Zusammensein mit Personen, mit denen sie sich gut verstehen. Deshalb werden Weihnachtsfeiern gern in der Familie und im Freund*innenkreis verbracht. Außer für Menschen, die die Dunkelheit und Kälte lieben, sind auch Licht und Wärme Ausdruck von Geborgenheit und positiver Stimmung, insbesondere in der dunklen und kalten Jahreszeit. Kerzen drücken das aus.
 
Ein weiteres Zeichen von Geborgenheit und Verbundenheit ist auch die gegenseitige Unterstützung, ohne eine Gegenleistung zu verlangen, also das Schenken. Das alles betrifft nicht nur das persönliche Umfeld, sondern ebenso das politische. Das drückt sich auch in der Friedenssehnsucht und der Sehnsucht, dass es allen Menschen gut gehe und sie glücklich sein mögen, aus. Nicht umsonst wird in der christlichen Weihnachtsgeschichte davon berichtet, dass diese Botschaft zuerst an die am meisten Benachteiligten gegangen ist. Und im Lobgesang der Maria (Lukas 1, 46 - 55) ist sogar von entsprechenden gesellschaftlichen Umwälzungen die Rede (insbesondere Verse 52 f.). Auch der erwachsene Jesus lehrte entsprechende gesellschaftliche Veränderungen zugunsten der Benachteiligten. Insofern passen die christlichen Überlieferungen wie auch viele andere Traditionen zu diesen Bedürfnissen.
 
Aber warum erfüllt Weihnachten häufig nicht diese Bedürfnisse?
Wir leben in einer kapitalistischen Gesellschaft. Da geht es nicht um die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Es wird versucht, alles in Waren zu verwandeln, also alles zu verkaufen. Ziel ist der Profit der Kapitaleigentümer*innen. Zu diesem Zweck wird, auch durch die Werbung, vermittelt, dass Menschen nur glücklich werden können, wenn sie viel kaufen. Anerkennung gibt es nur, wenn die Menschen darüber hinaus möglichst perfekt - zumindest besser als die anderen - sind. Das schafft neue Unzufriedenheit. So wird dieser Teufelskreis verstärkt.
 
Was kann getan werden, damit nicht nur einige, sondern viele Menschen zu der beschriebenen Bedeutung von Weihnachten zurückfinden?
Moralappelle bringen offensichtlich wenig bis nichts. Selbst wenn die Betroffenen sich nicht bevormundet fühlen, müssen sie auch praktisch erfahren, was sie ändern können, um sich entsprechend verhalten zu können. Es muss somit vorgelebt und gemeinsam eingeübt werden. Das kann nur im entsprechenden Umfeld geschehen. Das freundliche Zusammensein und die gegenseitige Rücksicht auf Bedürfnisse und Wünsche sind wichtiger als umfangreiches Essen und viele und teure Geschenke. Schenken heißt eher Unterstützung im Alltag und bei Problemen, als Dinge zu kaufen. Für dies alles müssen natürlich die entsprechenden Rahmenbedingungen vorhanden sein. Auch der Einsatz für eine gerechtere und solidarische Gesellschaft und eine friedliche Welt gehört deshalb zu Weihnachten.
 
Was hat dies mit der einen Welt zu tun?
Wie erwähnt: Wir leben im Kapitalismus. Damit die zu kaufenden Geschenke möglichst billig hergestellt werden können, werden sie häufig in Ländern mit niedrigen Löhnen, schlechten Arbeitsbedingungen, schlechten sozialen Sicherungssystemen, niedrigen Umweltstandards und geringen Kapitalsteuern produziert. Einerseits wird dies gerechtfertigt, andererseits wird gerade in der Advents- und Weihnachtszeit mit emotionalem Druck dafür geworben, etwas für die Ärmsten zu geben. Die eigentlichen Ursachen werden meist ausgeblendet und so eine Lösung der Probleme verhindert.

Teilweise wird die Spendenbereitschaft sogar zum eigenen Vorteil ausgenutzt, sei es zur persönlichen Bereicherung, sei es zur Vergrößerung des eigenen Ansehens derjenigen, die die gesellschaftlichen Probleme am stärksten verursachen oder zur Werbung für die eigenen Ansichten. Wenn einer Person durch das kapitalistische System (fast) alles weggenommen wurde und sie erhält ein kleines Geschenk, verbunden mit der Aussage, sie würde noch ein viel größeres Geschenk erhalten, wenn sie nur einem bestimmten Glauben oder einer bestimmten Überzeugung folgen würde, ist sie dafür meist leichter empfänglich.
 
Damit aber wirklich Weihnachten für alle wird, damit sowohl die materiellen als auch die emotionalen Bedürfnisse für alle Menschen weltweit befriedigt werden, sollten wir uns gemeinsam für eine Überwindung der ungerechten kapitalistischen Verhältnisse einsetzen. Dazu können wir alle beitragen. Und dann können auch Spenden helfen, wenn sie nicht nur Almosen sind, sondern anderen Menschen helfen, gemeinsam mit anderen ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, sich möglichst unabhängig vom kapitalistischen System zu machen und solidarisch handeln zu können.
 
Wie sind meine Erfahrungen damit?
Natürlich kann mir vorgeworfen werden, ich könne ja gut reden und schreiben. Aber verhalte ich mich auch so?
Deshalb einige meiner Erfahrungen mit Weihnachten: Als Kind war ich stärker auf Unterstützung durch andere angewiesen. Deshalb war es schön, wenn ich hin und wieder etwas geschenkt bekam. Wichtiger war aber, dass ich es gebrauchen konnte, nicht dass es möglichst teuer war. Letzteres spielte zu DDR-Zeiten sowieso eine geringere Rolle. Mit der Zeit lernte ich auch, dass immer neue Spielsachen nicht hilfreich sind, wenn ich sowieso nicht mit allen, die ich habe, spielen kann. Krippenspiele und Anspiele, an denen ich beteiligt war, wiesen mich teilweise darauf hin, worauf es eigentlich ankommt.

Als junger Erwachsener verbrachte ich in einer Heiligen Nacht mal zwei Stunden allein und warm angezogen in der Natur. Dort erlebte ich, dass ich all die Weihnachtsfeiern nicht brauche. Ich konnte unabgelenkt über die Bedeutung von Weihnachten nachdenken.
Später merkte ich, dass ich dazu nicht rausgehen muss. Eine ruhige ungestörte Stelle reicht dafür schon aus. Inzwischen sind Feiern und Geschenke für mich nicht so wichtig. Es geht mir mehr darum, was ich und die anderen Beteiligten für Bedürfnisse haben und wie wir sie am besten gemeinsam erfüllen können. Kaufen können und brauchen wir das nicht. Große Vorbereitungen sind auch nicht nötig. Wir brauchen uns nur gegenseitig erzählen, was wir wollen und darauf Rücksicht zu nehmen. Und auch diese Gespräche machen mich häufig glücklich. Dies ist auch mit keinem Stress und keiner Hektik verbunden.

Und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Kleine Hilfeleistungen und Unterstützung, überhaupt ein solidarisches Handeln, der Einsatz für eine gerechtere Gesellschaft, das Zusammensein mit nahestehenden Personen, die Besinnung auf das Wesentliche, überhaupt ein möglichst glückliches Leben kann ich das ganze Jahr über verwirklichen.
Letzte Änderung am Freitag, 21 Dezember 2018 08:48

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