Eine neue Studie zeigt, was die Deutschen über Entwicklungszusammenarbeit denken – und einige Baustellen
Der Trend geht in Richtung Abschottung und Einmauern? Die politischen Debatten dieser Tage sagen es so. Die Meinung einer Mehrheit in der Bevölkerung aber muss das noch lange nicht treffen. „Die frohe Botschaft ist: Die Einstellung der Deutschen gegenüber Entwicklungszusammenarbeit ist positiv“, sagt Solveig Gleser vom Deutschen Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit bei der Vorstellung einer neuen Studie in Berlin. Für sie wurden rund 6000 Menschen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA in den letzten fünf Jahren befragt.
Das Ergebnis: Über 40 Prozent der Befragten sind für ein unverändertes und gut 40 Prozent gar für ein noch höheres staatliches Engagement zur Bekämpfung globaler Armut. In Großbritannien und den USA denken deutlich weniger Befragte so. Doch das ist kein Grund zum Ausruhen.
Je weiter rechts im politischen Spektrum und je älter, desto geringer wird auch die Unterstützung unter den deutschen Befragten. „In Großbritannien gab es vor wenigen Jahren auch noch große Unterstützung und heute gehört es zu den kritischsten Ländern“, sagt die Sozialwisenschaftlerin Solveig Gleser. „Es kann sich sehr schnell ändern.“
Denn den Ist-Zustand der Entwicklungspolitik sehen viele Befragte in Deutschland überaus kritisch. Nur 10 Prozent von ihnen schätzen sie als hoch wirksam ein – die große Mehrheit sieht das anders oder ist unschlüssig. Das zeigt sich auch bei einer weiteren Frage: 14 Prozent der Antwortenden unterstützen die Entwicklungszusammenarbeit stark – 23 Prozent dagegen sorgen sich zwar um die Lage im globalen Süden und fühlen sich ihm moralisch verpflichtet, allerdings sind sie skeptisch gegenüber der Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit und eigenen Einflussmöglichkeiten. Weitere 28 Prozent der Befragten fühlen sich weder verpflichtet noch fähig, etwas zu ändern. Die restlichen 35 Prozent sind unschlüssig.
„Die Bevölkerung hat erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit und das kann schnell umschlagen zu der Meinung, dass sie sowieso nie etwas gebracht hat“, interpretiert Solveig Gleser diese Ergebnisse. Unter den Unterstützern finden sich mehr Menschen mit höherer Bildung und mehr Einkommen – unter den Gegnern mehr Männer und politisch rechts Denkende. „Wie verhindern wir, dass Entwicklungszusammenarbeit ein Eliten-Projekt wird?“, fragt die Co-Autorin der Studie.
Einen Hinweis gibt die Umfrage selbst: Bildung und Informationen können helfen. Denn daran mangelt es offenkundig. Über 38 Prozent der Befragten glauben, die absolute Armut in der Welt habe sich fast verdoppelt, weitere 25 Prozent meinen, sie habe sich um ein Viertel erhöht – dabei ist sie stark gesunken. Knapp 30 Prozent der Befragten glauben, dass die Kindersterblichkeit in den letzten Jahrzehnten gestiegen sei – nur rund 10 Prozent wissen, dass sie gefallen ist. „Sehr beunruhigend ist, dass Erfolge in der Entwicklungszusammenarbeit nicht ankommen“, sagt Solveig Gleser. „Wenn wir sagen, dass wir Hunger und Kriege bekämpfen wollen, und dann sehen die Menschen Nachrichten Kriege und Hunger – dann denken sie: Die Ziele werden nicht erreicht.“ Auch die Überschützung der Möglichkeiten von Entwicklungspolitik kann eine Falle sein.
Dabei scheint es an Interesse und Offenheit für das Thema nicht zu mangeln, sagen zumindest viele Befragte. Über die Hälfte von ihnen gibt an, über sich über Entwicklungspolitik in den Nachrichten zu informieren oder über sie zu diskutieren. 23 Prozent treffen nach eigener Aussage sogar Konsumentscheidungen, um auf globale Armut Einfluss zu nehmen, und 18 Prozent spenden für diesen Zweck. 5 Prozent geben an, sich für Entwicklungszusammenarbeit ehrenamtlich zu engagieren – je gebildeter und wohlhabender, desto häufiger.
Hier zeigen sich auch Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Im Osten fanden die Forscher etwas geringeres Engagement und eine geringere Bereitschaft für Spenden und gezieltes Konsumverhalten, auch ein etwas geringeres Bewusstsein für globale Ungerechtigkeit – aber auch ein eine geringere Vorstellung von der Allmacht der Entwicklungspolitik.
Den Fokus nur auf sie zu legen, sei ohnehin recht kurz gesprungen, kritisierten Vertreter von ostdeutschen entwicklungspolitischen Vereinen bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Nach der Änderung von ungerechten Konsum- und Wirtschaftsformen oder Handelsbeziehungen habe die Studie gar nicht gefragt, merkten die Kritiker an. Ob die Zustimmung in der Bevölkerung dafür größer oder kleiner wäre – diese Frage bleibt weiter offen.
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