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„Efficace sur les taches les plus tenaces“ – „Sehr effektiv bei hartnäckigen Verschmutzungen“ „Efficace sur les taches les plus tenaces“ – „Sehr effektiv bei hartnäckigen Verschmutzungen“ Foto: Simone Schwarz / SAIDA International e.V.

Burkina Faso nach dem Volksaufstand: Sankaras hoffnungsvolle Erben – und Erbinnen

geschrieben von  Mai 31, 2015

Das Volk von Burkina Faso ist langmütig. Aber 27 Jahre semiautoritäres, verkrustetes System waren genug. Im Oktober vergangenen Jahres stürzten Burkiner und Burkinerinnen ihren Präsidenten Blaise Compaoré.

Dieser hatte sich schlicht verkalkuliert beim Versuch, sich noch eine weitere Amtszeit per Verfassungsänderung zu genehmigen. Compaoré muss nicht schlecht gestaunt haben, dass auf die Trägheit der „internationalen Gemeinschaft“ Verlass ist: man hatte ihn seinen Despotentrick ohne große Gegenwehr anwenden lassen, aber dem überraschend heftig aufbegehrenden Volk ebenfalls keinen Einhalt geboten. Im Verlauf einer wütenden, aber zivilisierten Revolution wurde Blaise schließlich abgesetzt. Geistesgegenwärtig setzte er sich ins befreundete Ausland ab und lebt derzeit dem Vernehmen nach komfortabel mit seiner Frau in deren Heimatland Côte d‘Ivoire.

Seine direkte Macht ist dahin, aber seine alten Freunde versuchen naturgemäß weiterhin Strippen zu ziehen. Das weiß auch die Interimsregierung und hat jüngst die Fäden gekappt: bekannte Compaoré-Anhänger sind von der Teilnahme an den Parlamentswahlen am 11. Oktober dieses Jahres ausgeschlossen.

Compaoré war zwar unfähig die eigene Bevölkerung zu ernähren, aber seine persönliche Existenz ist auch nach dem Sturz gesichert – die Schäfchen sind längst ins Trockene gebracht und Ehefrau Chantals liberische (Blut-) Diamanten sind ein schöner Notgroschen. Mit weißer Weste haben Blaise und seine korrupte Clique ihre riesigen Vermögen jedenfalls kaum erworben. Man konnte regelrecht zuschauen, wie sie Reichtü- mer angehäuften und gleichzeitig die Armut weiter Bevölkerungsteile immer extremer wurde.

Compaorés Herrschaft: Selbstbedienungsladen für einen Despoten
Nach beinahe drei Jahrzehnten unter Compaoré sind Land und Leute ausgelaugt. Kultiviert hatte er Freundschaften zu Gewaltherrschern wie Muammar al-Gaddafi und die Abhängigkeit von westlichen Hilfsgeldern. Compaoré hat das Land zu einem Selbstbedienungsladen für sich und seine Eliten gemacht. Die wenigen Ressourcen des Landes wurden ausgebeutet ohne erkennbaren Nutzen für die Bevölkerung.

„Wo Thomas Sankara einst wüstenbedrohte Landstriche aufforsten ließ, gibt Compaoré heute dem US-Konzern Monsanto – einstmals Produzent von ´Agent Orange` – freie Hand für Freilandversuche mit genmanipuliertem Saatgut. In den zweieinhalb postsankaristischen Jahrzehnten hält sich Burkina Faso wieder beharrlich unter den zehn Letztplazierten auf der UN-Entwicklungsskala.“ (junge Welt, Freitag, 12. Oktober 2012)

Die unter Sankara begonnenen Reformen im Land hatten nach kürzester Zeit bereits angefangen Früchte zu tragen, als der Hoffnungsträger 1987 ermordet wurde. Der Schweizer Soziologe Jean Ziegler kannte Thomas Sankara persönlich und erinnert sich so:

„Im Moment wo er gestorben war, war dieses bitterarme Land Burkina autonom, war selbstversorgend, was die Grundnahrungsmittel, Hirse, Gemüse usw. angeht. Das hat er in vier Jahren erreicht. Er hat den Staatsapparat auf die Hälfte reduziert. Hat die Dezentralisation in 8 Regionen geschaffen, hat die Basisdemokratie geschaffen. Er hat ein neues Bewusstsein geschafft und deshalb hat er eine so unglaubliche Ausstrahlungskraft gehabt, in Mali, in Togo, in Elfenbeinküste, Senegal, in der ganzen Region. Diese Ausstrahlung, die war tödlich, gefährlich für die neokolonialen Herren dieser Region und auch für die Söldner, die in den Präsidentschaftspalästen gesessen sind und leider immer noch sitzen.” (Deutschlandfunk Sendung vom 09.10.2007).

Auch Sankaras Einsatz für die Menschenrechte von Frauen ist einzigartig für die Zeit und den gesamten Kontinent.

Er verspürte tiefe Abscheu gegen die Unterdrückung von Frauen und verbot die Genitalverstümmelung von Mädchen, die Zwangsverheiratung sowie Polygamie und Prostitution. Auch mit diesen Vorstößen dürfte er die reaktionären Kräfte im Land gegen sich aufgebracht haben. Der Mordfall Sankara wird jetzt wieder aufgerollt. Am 25. Mai wurden auf dem Friedhof von Dagnoën, weit draußen vor der Hauptstadt Ouagadougou, die Gräber von Thomas Sankara und seiner 12 mit ihm getöteten Gefolgsleute geöffnet, um zunächst die Identität der Leichname zu bestätigen. Viele Fragen sind bis heute nicht zweifelsfrei geklärt: Wie genau ist Blaise Compaoré in die Ermordung seines Freundes und späteren Rivalen verwickelt gewesen? War er gar Anstifter der Tat? War Frankreich an dem Attentat beteiligt, weil es seinen Einfluss in der gesamten Region schwinden sah? Wer hat noch alles profitiert von der Beseitigung des charismatischen Reformers Sankara?

Balai Citoyen: Sankaras Erben stehen in den Startlöchern
Thomas Sankaras Witwe Mariam ist am 14. Mai nach langen Jahren im Exil zurückgekehrt in ihre Heimat. Die junge Bürgerrechtsbewegung in Burkina Faso verbindet große Hoffnungen mit ihrer Anwesenheit. Hat Mariam Sankara vielleicht selbst Präsidentschaftspläne? „Ich werde nicht kandidieren“, sagte sie am 12. Mai in einem Interview.

Egal ob Ikonen wie Mariam Sankara selbst antreten: es hat sich eine breite Front bürgerschaftlichen Engagements gebildet und Sankaras Erben stehen in den Startlöchern für die Neuordnung des Landes.

Wie zum Beispiel die im Juni 2013 gegründete Initiative Le Balai Citoyen (in etwa „Der Bürgerbesen“ in Anlehnung an die öffentlichen Kehraktionen Sankaras), eine treibende Kraft beim Umsturz. Le Balai Citoyen hat sich zu einer sozialen Bewegung entwickelt für Demokratie, gute Regierungsführung und ein besseres Zusammenleben in Burkina Faso. Engagierte Fachleute tragen die Bewegung, wie der 43jährige Rechtsanwalt Hervé Guy Kam – er hatte 2014 die entscheidende Petition gegen die Verfassungsänderung auf den Weg gebracht. Die bekannten und geschätzten Musiker Smockey und Sams’K Lejah füllen Stadien und sprechen glaubwürdig Themen an, die der Bevölkerung auf den Nägeln brennen: Jugendarbeitslosigkeit, horrende Lebensmittelpreise, korrupte Verwaltung, heruntergekommenes Bildungs- und Gesundheitswesen.

Die Rolle der Frauen: T-Shirts waschen für die Revolutionäre?
Auffällig ist jedoch, dass die Foto- und Videoaufnahmen der Tage der Revolution zwar eine hohe Beteiligung von Frauen zeigen. Auf den aktuellen Bildern von Balai Citoyen sieht man mittlerweile fast nur noch Männer an den Megaphonen auf LKWs und Tribünen. Wo sind die Frauen geblieben, nachdem der Despot erfolgreich vertrieben wurde und die politische Arbeit losgeht? Wurden sie wieder heimgeschickt, um die T-Shirts ihrer Revolutionäre zu waschen und deren Mahlzeiten zu bereiten?

Thomas Sankara hat schon vor dreißig Jahren klar gemacht, dass es bei seiner Revolution um alle wesentlichen Grundsatzfragen menschlichen Zusammenlebens geht, deren Basis er in der Gleichberechtigung der Frau sah.

In seiner berühmten Rede vom 8. März 1987 formulierte er das Ziel der damaligen Revolution glasklar: „Kameraden, es gibt keine wahre soziale Revolution ohne die Befreiung der Frau. Ich sehe keine Gesellschaft, werde durch keine Gesellschaft gehen, in der die Hälfte der Bevölkerung zum Schweigen gezwungen ist. Ich höre den Lärm dieses Schweigens der Frauen, ich ahne das Getöse ihres Sturms, ich spüre die Macht ihrer Revolte. Ich warte und hoffe auf den fruchtbaren Ausbruch dieser Revolution, deren Kraft und Richtigkeit aus dem unterdrückten Innersten kommt.“

Bleibt zu hoffen, dass die Männer und Frauen in Burkina Faso ihre Besen zur Hand nehmen für einen rigorosen Kehraus menschenfeindlicher Ideen. Die Chancen standen nie besser Sankaras Erbe endlich anzutreten.

 

Die vollständige Rede von Thomas Sankara vom 8. März 1987 (in französischer Sprache): La libération de la femme : une exigence du futur 8 mars 1987
Der ghanaische Journalist Femi Akomolafe über den Volksaufstand und Sankara (in englischer Sprache): Burkina Faso: You cannot kill ideas
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Update 18.09.2015: Die Einschätzung vom Mai hat sich durch den gestrigen Militärputsch bewahrheitet. Die Hoffnung auf erste freie Wahlen nach 27 Jahren ist vernichtet. Den alten Schmutz wäscht man nicht so schnell weg... Die Menschen in Burkina Faso sind zutiefst enttäuscht und wütend. Ein kurzer Bericht über die Lage auf der SAIDA-Website: Hoffnungen zunichte gemacht - Putsch in Burkina Faso vor Präsidentschaftswahl
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Letzte Änderung am Montag, 26 September 2016 11:29

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