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TTIP-Protest in London im Juli 2014 TTIP-Protest in London im Juli 2014 Urheber: World Developement Movement

(TTIP) Untersuchung des Transatlantischen Freihandelsabkommens: Eine kurze Analyse der US-Politik

geschrieben von  Annie Schnitzer, Übersetzung Till Weimann Sep 23, 2016

ENGLISH ARTICLE HERE

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Im März 2014 legte die Organisation Greenpeace hochgeheime Dokumente über die hinter verschlossenen Türen stattfindenden Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten (USA) und den Regierungen der Europäischen Union (EU) offen. Bekannt als das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) soll dieses Abkommen das Wirtschaftswachstum steigern und den Handel zwischen diesen beiden Seiten des Atlantiks liberalisieren. Das Zentrum für Wirtschaftspolitische Forschung berechnete, dass TTIP nicht nur die Wirtschaft der EU um 120 Milliarden Euro und die Wirtschaft der US um 95 Milliarden Euro steigern würde, sondern auch mehr Möglichkeiten für Arbeitsplätze für beide Seiten schaffen würde.1

 

Dennoch gibt es auch eine große Opposition gegen TTIP. Die Bevölkerung Deutschlands und Österreichs ist der größte Kritiker von TTIP in der Europäischen Union. Nur 17% aller Deutschen stehen dem Abkommen positiv gegenüber, ein bedeutender Rückgang im Vergleich zu 2014, als Umfragen noch zeigten, dass 55% dem Abkommen positiv gegenüber standen.2 Durch eine relativ geringe Arbeitslosigkeit in Deutschland, konzentriert sich die Kritik auf drei Hauptbereiche, die von TTIP beeinflusst werden: Umweltvorschriften, Lebensmittelsicherheitsnormen und Sozialhilfe. Viele Verbände und Wohltätigkeitsorganisationen haben zum Beispiel Angst vor der Reichweite negativer Auswirkungen, insbesondere verringerte Handelsbarrieren für Großunternehmen und Gesellschaften, die es erlauben würden, gentechnisch veränderte Produkte kennzeichnungspflichtig in der EU zu verkaufen. Eine andere Sorge betrifft die Automobilindustrie und das Prüfen von der Sicherheit im Auto, ein Bereich, in dem sich die EU und die USA stark unterscheiden. Es scheint so, als ob die meisten Deutschen das Gefühl haben, dass man durch TTIP mehr verlieren als gewinnen würde.

 

Vorteile für die USA

Im Juni 2013 veröffentlichte Präsident Obama dem Kongress eine Stellungnahme, in der er das TTIP Abkommen erklärte und eine detaillierte Überprüfung wurde von der Pressestelle des Weißen Hauses entsendet, mit dem Namen „US-amerikanische Grundsätze, Vorteile für die USA beim Transatlantischen Freihandels- und Investitionsabkommen: ein detaillierter Blick“ 3. Die USA würden insbesondere von der Beendigung der Tarife für US-amerikanische Agrargüter, elektronische Technik und Kleidung profitieren. Das Amt der US-Handelsbevollmächtigten hat zum Beispiel angegeben, dass die US-amerikanischen Agrarexporte einen Höchststand von über $ 145 Mrd. in 2013 erreicht haben; wegen der hohen EU-Tarife für US-amerikanische Produkte, wurden jedoch nur rund 6% von dem gesamten Wert der US-Agrarexporte in die EU exportiert. Während US-amerikanische Äpfel-Anbauer*innen zudem noch eine Steuer von mindestens 7% für die Exporte in die EU zahlen müssen, muss die europäische Konkurrenz den USA keinen Transportzoll zahlen. Mit TTIP wäre es außerdem US-amerikanischen Filmemacher*innen und Software Designer*innen erlaubt, Filme, Musik und Videospiele in Europa ohne Zollkosten zu verkaufen. Abnehmer in der EU könnten CDs und DVDs mit einer elektronischen Signatur anstelle einer Hardcopy kaufen, wodurch das Bezahlen für Kund*innen und Vertreiber einfacher und effizienter wird. Letztendlich könnten mit der Beendigung der EU-Tarife Kleidungshändler*innen Stoff und Kleidung, die im Ausland produziert wurden, verkaufen, während sie Ausschusstextilien von Drittländern loswerden würden. Das sind nur ein paar Beispiele, die in der Rede von Präsident Obama vorm Kongress hervorgehoben wurden.

 

Die Bertelsmann Foundation in den USA veröffentlichte einen Bericht, in dem die schrittweise Einkommensentwicklung analysiert wird, die eventuell aus TTIP resultieren könnte. Sie haben berechnet, dass der Zuwachs der Pro-Kopf-Einkommen rund 13,4% betragen wird und insgesamt würden die USA ein Beschäftigungszuwachs von rund 750.000 Arbeitsplätzen erreichen4. Insbesondere führte der Bericht auf, dass Staaten wie Kalifornien, Texas, New York und Florida, die bereits die größten Wirtschaften der USA sind, einen riesigen Zuwachs an Arbeitsplätzen verzeichnen würden. Die Umsetzung von TTIP würde zu einem Expandieren der Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen führen; es wird suggeriert, dass jeder 160. Arbeitsplatz ein Ergebnis aus dem Handelsabkommen werden würde. Staaten würden direkt profitieren von dem erhöhten industriellen Wachstum und von einem verminderten Druck auf die Preise von Gütern und Dienstleistungen. Der Bericht nennt zwei Bereiche, in denen es zu einem erhöhten Export kommen würde: Der erste Bereich betrifft industriegefertigte Güter. Im Durchschnitt würde TTIP die Metallexporte in sieben Staaten und die Chemieexporte in 13 Staaten vorantreiben. Der zweite Bereich, in dem die Auswirkungen spürbar wären, ist der Automobilsektor. 19 Bundesstaaten wären davon direkt betroffen und es wird mit einer Wertsteigerung der Exporte von 95% gerechnet.

 

 

Öffentliche Meinung

Während die Mehrheit der US-Amerikaner*innen uninformiert über TTIP und dessen mögliche Auswirkungen sind, zeigen Statistiken, dass es dennoch mehr Oppositionelle als Unterstützer*innen gibt. Ein Problem für die europäische und US-amerikanische Öffentlichkeit ist der Fakt, dass Beratungen über TTIP in kompletter Geheimhaltung stattfinden – etwas, das große Bedenken ausgelöst hat. Die Leute haben Angst, dass Regierungsbeamt*innen und Interessengruppen die totale Freiheit haben, Bedingungen auszuhandeln, die nur in ihrem eigenen Interesse sind, während sie die Interessen der Öffentlichkeit ignorieren. Laut Statista, einer online Datenbank in den USA, zeigen Umfragen unter US-Amerikaner*innen, dass ein Drittel in den Bereichen Wirtschaftswachstum, globaler Einfluss und kulturelle Vielfalt positive Effekte erwarten (siehe Abbildung 1). In den Bereichen wie Arbeitsplatz- und Arbeitsmarktbedingungen, Arbeiterrechte und behördliche Souveränität werden vornehmlich negative Auswirkungen befürchtet. Generell haben aber die meisten Menschen geantwortet, dass sie nicht genügend Informationen haben, um überhaupt zu antworten. Das zweite Diagramm vergleicht die öffentliche Meinung in den USA und in Deutschland: 46% der Amerikaner*innen antworteten, dass sie nicht genügend Informationen haben, im Vergleich dazu sind es 30% der Deutschen. Es ist wichtig zu beachten, dass es nur etwa 1.126 Antwortende aus den USA und 2.019 Antwortende aus Deutschland speziell für diese Studie gab, ein Stichprobenumfang, der nicht zwangsläufig für die generelle Einstellung gegenüber TTIP steht. Es wird jedenfalls deutlich, dass es in den USA einen sehr mangelhaften Diskurs über das Thema gibt, während es in Deutschland sehr viel diskutiert wird.

 

US-Amerikanische Interessen schützen

In einem Artikel gegen TTIP in den USA wurden drei Hauptängste dargestellt: verminderter Zugang zu bezahlbarer Energie, das Ende von der „buy American“-Klausel und niedrigere Finanzregulierungen5. Die USA genießen relativ niedrige Energiekosten, die auf den Aufschwung in der Schiefergasproduktion zurückzuführen sind. Anstatt den Überschuss an Handelspartner über den Atlantik zu exportieren (bedingt durch Embargos, die auf die Öl-Krise von 1973 zurückzuführen sind), genießen US-amerikanische Industrien ein großes Monopol über Energiereserven. Mit der Inkraftsetzung von TTIP, hätten die USA zwei Möglichkeiten: den Überschuss exportieren und damit den Preis für die Verbraucher*innen zuhause ansteigen lassen oder die Erdöllager in Europa öffnen und denen damit gleiche Möglichkeiten geben. Darüber hinaus führt auch mehr Wettbewerb zu einer Verunsicherung in den USA. So haben viele Einwohner*innen bereits jetzt Angst, dass solch ein Szenario einen Einschnitt bei den Löhnen und Arbeitsplatzmöglichkeiten zur Folge hätte, anstatt sie voranzutreiben.

 

„Buy American“-Klauseln schützen die US-Industrie und dessen Arbeiterschaft, indem der Regierung erlaubt wird, US-amerikanische Produkte zu favorisieren – eine Technik, die europäischen Kontrahenten Nachteile bringt. Eine Öffnung des Handels mit der Europäischen Union würde diese Art von Schutzklausel beseitigen und den Wettbewerb steigern, wobei die US-amerikanischen Arbeiter*innen mehr Nachteile dabei haben. Abgesehen davon, dass nahezu schon ein ganzes Jahrzehnt seit der Finanzkrise 2008 vorüber ist, muss sich der durchschnittliche US-Amerikaner immer noch von den Auswirkungen erholen. Um ein weiteres wirtschaftliches Desaster zu vermeiden, hat die Regierung Regelungen ins Leben gerufen, wie z. B. der Dodd-Frank-Act von 2010, um unsichere Geschäfte zu verhindern und instabile Märkte zu beruhigen. Eine Sorge, die viele im Finanzsektor haben, ist, inwiefern TTIP das Finanzbanking beeinflussen wird und ob Regelungen zu geschwächten Reformen führen.

 

Ein anderes Argument gegen TTIP aus einem anderen Blickwinkel wird am besten von Paul Craig Roberts ausgedrückt, ein Ökonom und Journalist, der einen Artikel mit dem Titel „TTIP: US-amerikanischer Wirtschaftsimperialismus“ geschrieben hat. Er sagt, dass transatlantische Partnerschaften „Werkzeuge des US-Finanzimperialismus“ sind und „dass sie US-amerikanischen Unternehmen die wirtschaftliche Vorherrschaft über Länder, die diese Abkommen unterzeichnet haben, geben“6. Roberts erklärt, dass eine Öffnung des Abkommens zu verheerenden Ergebnissen für Hersteller in Europa führen würde und dass die USA sehr stark drängen, die EU weniger zu schützen. Wenn zum Beispiel eine europäische Regierung US-Produkte aufgrund von Gesundheits- oder Sicherheitsregelungen ablehnt, dann ist es US-amerikanischen Unternehmen durch TTIP erlaubt wegen der Profitverluste zu klagen. Viele Europäer*innen sind extrem besorgt über die Invasion von gentechnisch modifizierten Organismen (GMO) und über niedrigere Produktionsregelungen.

 

Zusammenfassung

Die Thematik ist für beide Seiten komplex und überzeugende Argumente gibt es für und gegen TTIP, sowohl aus der US-amerikanischen als auch aus der europäischen Perspektive. Vielleicht sollte der Maßstab die Frage sein, wer eigentlich von den geplanten Freihandelsabkommen profitiert und wie die Gewinne, wenn überhaupt, verteilt werden. Mit dem näher rückenden Ende der Obama-Regierung, scheint es so, als ob die US-amerikanische und die deutsche Regierung immer eifriger das Abkommen durchbringen wollen und es – was auch immer geschieht - zur wirtschaftlichen Realität für nachfolgende Regierungen machen wollen.

 

1Transatlantic Trade and Investment Partnership: The Economic Analysis Explained. (September 2013). Abgerufen am 13. Juni 2016, von http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/september/tradoc_151787.pdf

2Selling the Trans-Atlantic Trade Deal. (2. Mai 2016). Abgerufen am 13. Juni 2016, von http://www.nytimes.com/2016/05/03/opinion/selling-the-trans-atlantic-trade-deal.html?_r=0

3U.S. Objectives, U.S. Benefits In the Transatlantic Trade and Investment Partnership: A Detailed View | United States Trade Representative. (2016). Abgerufen am 13. Juni 2016, von https://ustr.gov/about-us/policy-offices/press-office/press-releases/2014/March/US-Objectives-US-Benefits-In-the-TTIP-a-Detailed-View

4TTIP and the Fifty States: Job and Growth from Coast to Coast (September 2013). Abgerufen am 13. Juni 2016, von https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/245085/TTIP_and_the_50_States_GovUK.pdf

5Top 3 Reasons Why US Should Oppose TTIP (1. April 2014). Abgerufen am 13. Juni 2016, von http://www.atlantic-community.org/-/top-3-reasons-why-us-should-oppose-ttip

6TTIP – American Economic Imperialism (2016, May 3). Abgerufen am 13. Juni 2016, von http://www.paulcraigroberts.org/2016/05/03/ttip-american-economic-imperialism-paul-craig-roberts/

Letzte Änderung am Donnerstag, 20 Oktober 2016 13:24

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