Herausforderungen des Städtewachstums
Wie im Europa des 18. und 19. Jahrhunderts wird die Siedlungsentwicklung in den Schwellenländern etwa seit den 1970er Jahren stark durch die Abwanderung vom Land in den urbanen Raum bestimmt. Konflikte, politische Reformen, die Liberalisierung der Märkte, Armut oder die Auswirkungen des Klimawandels drängen Menschen aus ihrer ländlichen Heimat in Städte, die ein besseres Leben versprechen. Allerdings wird der Zuwanderungsdruck auf die urbanen Räume heute erheblich durch das globale Bevölkerungswachstum verstärkt. In kurzer Zeit entstanden vor allem in Asien, Afrika und Lateinamerika Megastädte und Metropolregionen, die gegenwärtig um etwa 1,4 Millionen Menschen pro Woche anwachsen. Ein Großteil des Wachstums der Städte entfällt auf informelle oder illegale Siedlungen, weil städtische Flächen und angemessener Wohnraum nicht in ausreichendem Umfang vorhanden sind. Schätzungen zufolge leben heute etwa eine Milliarde Menschen in Slums ohne sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen, ohne Abfallentsorgung, ohne elektrischen Strom, ohne ein ausgebautes Straßennetz und ohne ein funktionierendes Regenentwässerungssystem. In einigen marginalisierten Stadtvierteln kontrollieren kriminelle Gruppen den Zugang zu Wohnraum, Wasser, Strom und Sicherheit. In wohlhabenderen Stadtteilen entstehen von privaten Sicherheitsdiensten bewachte Gated Communities. Das staatliche Gewaltmonopol der Stadtregierungen und die Möglichkeiten politischer Steuerung werden durch diese Entwicklungen zunehmend geschwächt. Das Städtewachstum bringt neben sozialen auch erhebliche ökologische Herausforderungen mit sich, die kaum zu kontrollieren sind: Motorisierte Mobilität führt zu permanenten Verkehrsinfarkten und Luftverschmutzung, Abfälle kontaminieren Grundwasser und Flüsse und zerstören die natürlichen Lebensräume, an den sich ständig verschiebenden urbanen Rändern. Städte werden die Auswirkungen des Klimawandels in Form von Extremwetterereignissen bewältigen müssen, wobei die Bewohner*innen instabiler Behausungen in geologisch problematisch gelegenen informellen Siedlungsgebieten besonders bedroht sind. Die Kosten der genannten Probleme sind unter der Stadtbevölkerung sehr ungleich verteilt. Stadtentwicklung muss sich deshalb als sozial-ökologisches Projekt verstehen, dass sich mit der Transformation zur Nachhaltigkeit vor allem auch der Herausforderung der Armutsbekämpfung widmen muss.
Armutsbekämpfung ist nachhaltige urbane Entwicklung
Der Erfolg einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung wird, nicht nur im globalen Süden, wesentlich davon abhängen, inwieweit die Grundbedürfnisse ärmerer, marginalisierter Bevölkerungsgruppen berücksichtigt sowie deren Bemühungen um eine Verbesserung ihrer Lebensumstände unterstützt werden. Ziel einer urbanen Agenda muss es sein, geeignete Bedingungen zu schaffen, die es Stadtbewohner*innen erlauben, legale Handlungsstrategien zur Lebensgestaltung zu verfolgen und die eine Alternative zu den problematischen Versorgungs- und Gewaltökonomien bieten, die sich in den abgeschlossenen Parallelgesellschaften der Megastädte herausgebildet haben. Einen Weg zu einer gemeinsamen Stadtentwicklung bieten Kooperationen zwischen Bewohner*innen informeller Siedlungen und den städtischen Verwaltungen, wie sie die Slum Dwellers Initiative (SDI), einem internationalen Netzwerk von Slumbewohner*innen, anregt. Hierdurch hat sich gezeigt, dass städtische Wohnungsbauprogramme den urbanen Raum so strukturieren müssen, dass Bewohner*innen nicht aus ihren bisher entwickelten Beziehungs-, Informations- und Erwerbsnetzwerken herausgerissen werden. Es zahlt sich aus, in den Ausbau eines bezahlbaren öffentlichen Transportsystems zu investieren, das allen die gleichen Zugangsmöglichkeiten in die urbanen Zentren eröffnet. Verkehrsinfrastrukturen werden entlastet, Ressourcenverbrauch, Umweltbelastung und Gesundheitsrisiken deutlich reduziert.
Wissensaustausch in Städtenetzwerken, Anwendung nachhaltiger Technologien und die aktive Einbeziehung der Zivilgesellschaft in urbane Planungsprozesse haben sich als wichtige Faktoren für eine nachhaltige Stadtentwicklung erwiesen. So haben zahlreiche Transition-Town-Initiativen in Australien, Europa, Kanada oder den USA auf der Grundlage von Bürgerbeteiligung und kommunalen Kooperationen bereits Strategien für einen lokalen Wandel entwickelt und umgesetzt.
OUR URBAN FUTURE: Wie wir Zukunft in unseren Städten gestalten
Vom 20. bis zum 29. Oktober 2016 widmet sich das 8. Umundu-Festival mit Blick auf den dritten Weltsiedlungsgipfel der Vereinten Nationen in Ecuador in zahlreichen Veranstaltungen im Stadtgebiet Dresden der Bedeutung einer nachhaltigen Stadtentwicklung für eine gesellschaftlichen Transformation zur Nachhaltigkeit. Im zehntägigen Programm sollen verschiedene Probleme und Entwicklungen diskutiert und Lösungsansätze vorgestellt und ausprobiert werden. Wichtige Themen sind unter anderem: die Sustainable Development Goals, globale Urbanisierung und Stadtentwicklung, Wohnen, urbane Mobilität, Smart City und Bürgerrechte, Architektur und Stadtplanung, Nachbarschaftsnetzwerke, Urban Commoning, Urban Gardening. Im Mittelpunkt wird die Frage stehen, welche Rolle eine aktive Zivilgesellschaft dabei spielen kann, Städte zu einem lebenswerten Ort und zu einem Impulsgeber eines zukunftsfähigen gesellschaftlichen Wandels zu machen.
20. Oktober bis 30. November – Hands On Urbanism / Ausstellung
21. bis 23. Oktober – OUR URBAN FUTURE / Festivalsymposium
24. bis 29. Oktober – Festivalwoche mit Beiträgen lokaler Akteure und StadtgestalterInnen
Detaillierte Informationen zum Umundu-Festival 2016 unter: www.umundu.de