Hallo Anna. Kannst du uns ein Bild geben, wie die aktuelle Situation der Orang-Utans ist?
„Orang-Utan“ kommt aus dem Malaiischen und bedeutet „Waldmensch“ (orang – Mensch, (h)utan – Wald). Um so beschämender, dass es heute nur noch ca. 6000 Sumatra- und ca. 54.000 Borneo-Orang-Utans (IUCN) gibt. Die dortigen Regenwälder werden abgeholzt, um riesige Palmölplantagen anzulegen und die Tiere werden getötet oder verschleppt.
Das heißt, ihr „kämpft“ gegen einen schier übermächtigen Gegner?
Ja, irgendwie schon. Jedes zweite Supermarktprodukt enthält Palmöl – egal ob Lebensmittel, Kosmetika, Kerzen oder Waschmittel; auch in Brennstoffen wird es als „nachwachsender Rohstoff“ eingesetzt. Palmöl ist das derzeit wichtigste Pflanzenöl weltweit und die Nachfrage steigt stetig. Da es auf vergleichsweise kostengünstiger Fläche angebaut werden kann, ist es sehr profitabel – und wird auch nach Europa exportiert. Paradox, dass Menschen hierzulande auf der einen Seite Tiere schützen wollen und sogar Rechte für sie fordern – und andererseits sorglos ihren Einkaufskorb füllen. Deshalb wollen wir die Menschen durch unsere Arbeit sensibilisieren. Die Bildungsarbeit an deutschen Schulen und Kindergärten sowie Infostände sind aktuell unser Weg, um die Menschen in Deutschland zu erreichen. Dazu arbeiten wir zum Beispiel mit dem Zoo Leipzig oder dem PHYLLODROM e.V. Museum und Institut für Regenwaldökologie Leipzig zusammen.
Wie erfolgreich seid ihr dabei?
Zoobesucher_innen zum Beispiel finden die Plüsch-Orang- Utans, die wir verkaufen, süß, interessieren sich aber manchmal nicht weiter für Regenwaldabholzung oder Palmöl. Deshalb versuchen wir mit unseren Infoständen entgegenzusteuern und so das Interesse zu wecken. Wir sind so ein reiches Land, und trotzdem guckt jeder nur auf seinen Teller. Dabei sind wir natürlich auf die Leute angewiesen – wir finanzieren uns vor allem über Spenden, Patenschaften und über den Verkauf von Souvenirs, T-Shirts und Plüschtieren..
Wofür werden sie Spenden verwendet?
Sie fließen zu großen Teilen in die Orang-Utan-Auffangstation bei Pasir Panjang und die Wiederaufforstung im Orang-Utan- Auswilderungsgebiet Lamandau (beides Borneo) sowie die Auswilderungsstation in Jantho (Sumatra). In der Auffangstation werden von mehr als 100 Mitarbeiter_innen, die aus den umliegenden Dörfern stammen, derzeit mehr als 300 Tiere versorgt. Wenn möglich werden die Tiere in das Reservat in Lamandau umgesiedelt. All dies ist jedoch noch keine Ursachenbekämpfung. Diese fängt bei der Aufklärung der einheimischen Bevölkerung an. Deshalb unterstützen wir seit Jahren die indonesische Organisation Yayorin, die auf Borneo Umweltbildung für Kinder und Erwachsene betreibt. Wir finanzieren zwei Umweltbildungszentren vor Ort sowie einen Umweltbibliotheksbus für entlegene Gebiete.
Wie funktioniert die Kooperation mit lokalen Partnern vor Ort?
Wir unterstützen die Akteure vor Ort vor allem finanziell. Wir halten den Kontakt per E-Mail und telefonisch und fast in jedem Jahr fährt jemand aus dem Verein nach Borneo und/ oder Sumatra, um die Projektstandorte zu besuchen und Gelder selbst zu übergeben. Wir kontrollieren, was gekauft wird, helfen beim Gehegebau, kaufen Beschäftigungsmaterial,
medizinische Ausrüstung und Medikamente für die Tiere sowie Bücher, Bastelmaterial und technische Ausrüstung für die Umweltbildung.
Warum seid ihr Mitglied im ENS geworden?
Das ENS ist eine tolle Plattform zum Austausch und zur Vernetzung. Es bietet es so viele wichtige Informationen, zum Beispiel zur Antragstellung und Finanzierung. Wir lernen gerade, wie wir unsere ehrenamtliche Arbeit hier in Deutschland verbessern und uns in anderen Bereichen entwicklungspolitisch engagieren können. Das ENS ist dafür ein tolles Sprachrohr.
Abschließend noch eine kurze Frage: Was wollt ihr in den nächsten 30 Jahren erreicht haben?
Es soll noch frei lebende Orang-Utans geben!
Danke für das Gespräch und viel Freude und Motivation bei eurer weiteren Arbeit! Vielen Dank an Anna Rietzschel.
Das Interview führte Lydia Haferkorn.