Das kleine gallische Dorf, das sich in den Asterix-Geschichten gegen die Römer auflehnt, kann wohl auf Sympathien hoffen. Das Geschäftsgebaren der sogenannten Geierfonds führt jedoch die ernsthaften Bemühungen der internationalen Gemeinschaft zu einer Entschuldung der Länder des Südens ad absurdum. Abgesehen davon, dass es nach wie vor an einem notwendigen fairen und transparenten Insolvenzverfahren für Staaten fehlt und viele entschuldete Länder vor neuen Herausforderungen stehen, umgehen private Gläubiger immer wieder die mühsam erstrittenen Schuldenerlasse öffentlicher Gläubiger auf bi- und multilateraler Ebene. Sie kaufen in Krisenzeiten staatliche Schuldtitel zu einem Bruchteil des Originalpreises und verklagen anschließend die verschuldeten Länder auf eine Auszahlung in der ursprünglichen Höhe. Solange diese Praxis Bestand hat, werden Umschuldungsregelungen zwischen zahlungsunfähigen Staaten und ihren Gläubigern in Zukunft immer schwieriger. Es ist schwer zu vermitteln, warum ein Gläubiger zu Gunsten der Zahlungsfähigkeit seines Schuldners auf Forderungen verzichten sollte, wenn andere sich dafür umso mehr auszahlen lassen.
Legal, aber äußerst fragwürdig
Das Problem ist keinesfalls neu. Der US-amerikanische Investor Paul Elliott Singer gilt als der erste, der diesen lukrativen Geschäftszweig 1996 für sich und seinen Fonds Elliott Management entdeckte. Weltweit gibt es eine Reihe weiterer Hedgefonds, die sich auf den Kauf von Forderungen krisengeschüttelter Länder spezialisiert haben.
Sambia musste 2007 beispielsweise den gesamten Schuldenerlass aus der Entschuldungsinitiative MDRI von 2005 – 15 Millionen US-Dollar – an den Fonds Donegal International weiterreichen, der 1999 Schulden des Landes gegenüber Rumänien für 3,5 Millionen US-Dollar gekauft und dann vor einem Londoner Gericht eingeklagt hatte. Die damalige Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit Heidemarie Wieczorek-Zeul schrieb seinerzeit an erlassjahr.de: „Ich teile Ihre Besorgnis in vielerlei Hinsicht und halte das hinter solchen Fonds stehende Geschäftsmodell moralisch für verwerflich.“ Geändert hat sich in der deutschen Politik allerdings auch nach den Beteuerungen der Finanzkrise 2008, das System zähmen zu wollen, nichts.
Argentinien verlor im vergangenen Jahr vor einem USamerikanischen Berufungsgericht den Rechtsstreit gegen den Hedgefonds NML Capital, LTD - einen Ableger von Elliott Management. Argentinien soll nun 1,33 Milliarden US-Dollar an den Fonds zahlen. NML Capital fordert den vollen Wert von argentinischen Staatsanleihen, die er kurz vor dem argentinischen Staatsbankrott 2001 kaufte. Mit 92 Prozent der Gläubiger konnte Argentinien einen Forderungsverzicht aushandeln. NML Capital lehnte diesen ab, blieb bei seinen Ansprüchen und will sein Geld einschließlich Zinsen zurück. Der Fonds ließ 2012 unter anderem das argentinische Segelschulschiff „Libertad“ in der ghanaischen Hafenstadt Tema beschlagnahmen. Allerdings entschied der Internationale Seegerichtshof in Hamburg, dass Kriegsschiffe der internationalen Immunität unterlägen. Das Schiff konnte zurück nach Argentinien. Mit ähnlichen Methoden ging der Geierfonds gegen Peru und die Republik Kongo vor. Sein gutes Recht?
Souveränität von verschuldeten Staaten ausgehebelt
Mit dieser Entscheidung wird die Souveränität von verschuldeten Staaten ausgehebelt und der unmoralischen Geschäftspolitik der Geierfonds zu Lasten der ärmsten Menschen der Welt ein Nährboden bereitet.
Jürgen Kaiser politischer Koordinator des Entschuldungsbündnisses erlassjahr.de
Das Bündnis, das auch von sächsischen Vereinen wie dem ENS, dem Eine Welt e.V. Leipzig und der Arbeitsstelle Eine Welt der evangelischen Landeskirche unterstützt wird, betont damit die Folgen, die die Entscheidung auch auf hochverschuldete Entwicklungsstaaten und deren Bevölkerung haben könnte. „Jeder Gläubiger, der sich nun noch in einem der unverbindlichen Foren wie dem Pariser Club an Umschuldungen beteiligt, muss damit rechnen, dass sein Verzicht nicht etwa dem Schuldnerland, sondern konkurrierenden Gläubigern zugute kommt.“, so Jürgen Kaiser.
Seit April beschäftigt sich das Höchste Gericht der USA mit der Frage, wie weit Investoren völkerrechtlich garantierte Rechte von Staaten einschränken können. Elliott hatte im Verlauf des Verfahrens gegen Argentinien erreicht, dass die Bank of America die Vermögenswerte des argentinischen Staates in ihrer Obhut offen legen solle. Argentinien argumentiert nun, dass diese Entscheidung das Prinzip der Staatenimmunität, wonach staatliche Vermögen im Ausland vor Zugriffen zu schützen sind, verletzt.
Klagen im Rahmen des Investitionsabkommens TTIP absehbar
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Verhandlungen zum Transatlantic Trade and Investment Partnership – kurz TTIP – zwischen Europa und den USA. Die von erlassjahr. de empfohlene Studie „Von der Krise profitieren – wie Konzerne und Kanzleien in Europas Krisenländern Gewinne ergattern wollen“ von Transnational Institute (TNI) und Corporate Europe Observatory (CEO) zeigt, wie Konzerne und Hedgefonds mit Hilfe von Anwaltskanzleien Investitionsabkommen nutzen, um Regierungen von Krisenländern vor Schiedsgerichten zu verklagen. Erlassjahr.de: „Sie klagen gegen notwendige Maßnahmen, die die Staaten zur Bekämpfung von Schulden- und Wirtschaftskrisen eingesetzt haben, die jedoch den Profit der Konzerne geschmälert haben. Eine andere Regel dient dem Schutz gegen Enteignung. Umschuldungsmaßnahmen können als indirekte Enteignung ausgelegt werden, da sie den Wert der Anlage mindern.“
In Großbritannien gelang es der Entschuldungsbewegung 2011 – angestoßen durch den Sambia-Rumänien-Fall-, dass britische Gerichte nicht mehr für Klagen von Geierfonds gegen die ärmsten bereits entschuldeten Länder zur Verfügung stehen. Das ist ein beeindruckender Schritt für ein Land, das viel auf seinen Status als internationaler Finanzplatz hält. erlassjahr. de berät derzeit über eine ähnliche Gesetzes-Initiative in Deutschland.