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Schuhe „Made in Europe“ – zu Hungerlöhnen

geschrieben von  Dr. Bettina Musiolek Sep 23, 2016

Schuhe „Made in Europe“ – zu Hungerlöhnen

„Made in Europe“ steht für Qualität und faire Arbeitsbedingungen. Mehrere Recherchen der Clean Clothes Campaign (Kampagne für saubere Kleidung) und der Initiative „Change Your Shoes“ (Wechsle deine Schuhe) zeigen erstmals die Realitäten in der europäischen Schuhindustrie auf: Von den Gerbereien in Italien bis zu den Schuhfabriken in Mittel- und Südosteuropa. Dort stellen zehntausende Arbeiter*innen „italienische“ oder „deutsche“ Schuhe her – zu oft noch tieferen Löhnen als in China. Schuhmarken kümmern sich bisher noch viel zu wenig darum, unter welchen Bedingungen ihre Schuhe hergestellt werden.

 

Jede und jeder Deutsche kauft im Durchschnitt pro Jahr 5,3 Paar Schuhe. Über 24 Milliarden Paar Schuhe wurden 2014 weltweit hergestellt, der größte Teil davon in Asien, doch gerade bei hochpreisigeren Lederschuhen ist der europäische Anteil bedeutend. Jedes fünfte Paar Schuhe, das in Europa über den Ladentisch geht, ist auch in Europa produziert.

 

„Made in Europe“ ist oft nicht fair

Italien ist nicht nur das Schwergewicht der europäischen Schuhproduktion, sondern gerbt auch 60 Prozent des in der EU produzierten Leders. Der Bericht „A though story of leather“ beleuchtet anhand des Gerbereien-Distrikts Santa Croce in der Toskana die Schattenseiten dieses harten Gewerbes, in dem vielfach Migrant*innen arbeiten: Immer wieder kommt es zu Unfällen, das Heben der schweren Lasten führt zu Gelenkschäden und durch den ungeschützten Kontakt mit giftigen chemischen Substanzen entwickeln die Arbeitenden Allergien oder gar Tumore.

Die auf die Gerberei folgenden arbeitsintensiven Schritte der Schuhproduktion werden oft in mittel- und südosteuropäischen Ländern durchgeführt. Rund 200.000 Menschen sind in den untersuchten Ländern Albanien, Bosnien-Herzegowina, Polen, Rumänien, Slowakei und Mazedonien in der Schuhindustrie beschäftigt. Die Nähe zum westeuropäischen Markt sorgt für kurze Lieferzeiten, die Beschäftigten sind hoch qualifiziert, aber das Lohnniveau ist äußerst tief. Der Bericht „Labour on a Shoestring“ zeigt das Hauptproblem: Die viel zu tiefen Löhne. Die Löhne in Albanien, Mazedonien oder Rumänien liegen sogar noch unter denen in China. Sie müssten vier bis fünf Mal höher sein, damit die Fabrikarbeitenden und ihre Familien davon leben könnten. „Eine rumänische Schuhindustriearbeiterin muss sich auf Jahre hinaus zu Wucherzinsen verschulden, um einen Kühlschrank oder das Holz für die Winterheizung zu kaufen. Der Akkorddruck ist so hoch, dass sie keine Atemmasken oder Schutzkleidung gegen den Gestank von Leim und das Gift der Chemikalien tragen. Unter allen europäischen Ländern, in denen die Clean Clothes Campaign bislang recherchiert hat, ist Albanien wirklich das Bangladesch Europas“, erklärt Bettina Musiolek von der Clean Clothes Campaign, Ko-Autorin des Berichts. In vielen südosteuropäischen Fabriken ist es im Sommer so heiß, dass immer wieder Arbeiterinnen kollabieren. Eine Familie zu gründen scheint nicht finanzierbar. „Meine Frau und ich arbeiten beide in einer Schuhfabrik. Wir sind froh, dass wir eine Arbeit gefunden haben, aber mit unseren niedrigen Löhnen können wir keine Kinder großziehen“, erzählt ein rumänischer Arbeiter im Interview.

Es zeigt sich eindeutig: Die endemischen Probleme der Bekleidungs- und Schuhindustrie sind ein Problem globaler Lieferketten und machen keineswegs halt vor Europa.
 

Die Bewertung der Schuhhändler

macht deutlich, dass sich diese Firmen zu wenig Gedanken über die Menschen machen, die ihre Schuhe fertigen. Das gilt für alle Firmen, die für den Bericht „Trampling workers rights underfoot“ befragt wurden: Elf Firmen gaben gar nicht erst Auskunft, und auch jene 12, die antworteten, setzen Grundrechte nicht effektiv um. Erhoben wurde unter anderem, ob existenzsichernde Löhne für Arbeiter*innen vorgesehen sind und welche Arbeitsschutzmaßnahmen vorausgesetzt werden. Von den 29 Unternehmen konnte keines der besten Kategorie „im Laufschritt voraus“ zugeordnet werden. Die Marken El Naturalista, Eurosko und Adidas schafften es zumindest auf den zweiten Platz „auf gutem Weg“. Händler mit Hauptsitz in Deutschland, die in beiden Reports genannt werden, sind Lowa, Deichmann, Ara, Rieker und Gabor.

 

Konsument*innen tappen im Dunkeln

„Transparenz in der Zulieferkette ist bei Schuhunternehmen noch eine Seltenheit“, stellt Bettina Musiolek fest. „Verbraucherinnen und Verbraucher haben einfach kaum eine Chance, sich für einen nachhaltig produzierten Schuh zu entscheiden, da die Marken nicht glaubwürdig informieren, geschweige real nachhaltig produzieren. ‚Made in Europe’ zeigt dies jedenfalls keineswegs an.“


 

„Change Your Shoes“ ist eine Initiative von 18 Menschenrechts und Arbeitsrechtsorganisationen in Europa und Asien, die sich für eine nachhaltige und ethische Schuhlieferkette einsetzen.


 

Die genannten Berichte

  • „Labour on a shoestring“ – Bericht und Zusammenfassung

  • “Trampling workers rights underfoot” – Bericht und Zusammenfassung

  • “A Tough story of leather” und “Von der Kuh zum Schuh” über Ledergerbung

  • Albanien Länderprofil

finden Sie hier:

http://lohnzumleben.de/arbeitsrechte-mit-fuessen-getreten

http://lohnzumleben.de/neu-recherche-zu-loehnen-albanien


 


 

Letzte Änderung am Mittwoch, 15 November 2017 14:33

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