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The hungry man‘s dance to the rhythm of capital. The hungry man‘s dance to the rhythm of capital. Doreen Grygar

Arbeitskreis „Entwicklungshilfe“ e.V. - Kleinkredite: Fluch oder Segen?

geschrieben von  Heinz Kitsche Jan 06, 2015

Der Arbeitskreis „Entwicklungshilfe“ e.V. (AK"EH") reflektiert sein erfolgreich nachgewiesenes Projekt. Die Mikrokreditwelle, hochgepriesen als Wunderwaffe gegen Armut, ist in den vergangenen Jahren stark in Kritik geraten, als „Geschäft mit der Armut“. Professor Yunus aus Bangladesch, auch auf Kirchentagen gefeiert, hatte für seine Idee und deren Umsetzung mit Hilfe der „Grameenbank“ den Friedensnobelpreis erhalten.

Nachrichten über Selbstmorde von in die Schuldenfalle geratenen Bauern, die ihr letztes Feld und damit ihre Existenzgrundlage verkaufen mussten, haben seinen Ruf mit Fragezeichen versehen und mit vernichtender Kritik. „Geld verdienen und Gutes tun!“ hatte die umstrittene Verlockung geheißen. Gerhard Klas, Autor mehrerer Bücher über diesen Geschäftszweig der Finanzindustrie, überschreibt sein erstes Kapitel in „Rendite machen und Gutes tun“ zur Beweislage über die Wirksamkeit von Mikrofinanzen: „Wir wissen nur, dass wir nichts wissen.“ Was auch immer Hoffnungen erweckt, sobald es vom real existierenden System, hier von den kommerziellen Banken, aufgegriffen wird, verwandelt es sich ins Gegenteil, wenn es nicht durch solidarische, demokratische, partizipative Strukturen gestaltet und kontrolliert wird. Fazit: Mikrokredite lösen das Problem Armut ebenso wenig, wie Projekte der Entwicklungszusammenarbeit, was nicht heißen muss, dass sie entbehrlich sind. Aber ohne Strukturänderungen bleibt es bestenfalls bei kurzfristigen Reparatureffekten, während sich langfristig die Situation verschärft.

Als sich unsere Projektpartner in Tansania ein Kleinkreditprojekt wünschten, waren wir in Kenntnis der Nachrichten aus Bangladesch skeptisch. Eine der Begründungen beschreibt Selbstbewusstsein und Würde als wichtige Wirkungen, wenn Menschen eine eigene Idee umsetzen und sich selbst etwas erarbeiten. Bei IDYDC, einer sozialen Nichtregierungsorganisation in Iringa wird die Kreditvergabe durch Schritte der Beratung, des Trainings, der Selbstorganisation und der Kommunikation begleitet. Immer wieder erhielten wir Erfolgsmeldungen aus Iringa. Umso wichtiger ist uns die Auseinandersetzung mit den Argumenten der Kritiker. Sie befähigen uns, Fragen an die Partnerorganisation zu stellen, die Entwicklung der Machtverhältnisse zu beobachten, um böse Folgen zu erkennen und hoffentlich gemeinsam, langfristig auszuschließen. Vor allem gehen wir davon aus, dass bei IDYDC, einem Verein, der vielseitige soziale Arbeit leistet, anders als bei Banken, Profitgier als Zweck der Vereinigung entfällt. Anders als kommerzielle Gläubiger fordert der AK „EH“ das Geld auch nicht zurück. Rückzahlungen fließen immer wieder in den Kreislauf der „Armen“ selber. Aus Schuldnern werden so „Entwicklungshelfer“.

Eingebettet in dieses Umfeld kann das Projekt durchaus auch als alternatives „soziales System“ gelten. Nach einem Kleinkreditprojekt für 150 Familien mit Unterstützung des Sparbriefes der LKG Sachsen und des Diakonischen Werkes ist es uns 2011 gelungen, ein Vorhaben für 400 Familien vor 120 SchülerInnen der Aktion genialsozial der Sächsischen Jugendstiftung erfolgreich zu präsentieren. Es beinhaltete neben der Ausgabe von Krediten, Trainings, Beratung, Begleitung, Organisations- und Personalkosten. Statt der geplanten 400 wurden im Projektzeitraum 1.721 Kredite ausgereicht, zu einem für unsere Verhältnisse erschreckend hohen Zinssatz, den unsere Partner jedoch mit ortsüblich höheren Bankzinsen begründen und mit dem Umstand, dass diese nach strengen Kriterien ausgewählten besonders Armen, bei Banken niemals Kredit erhalten würden.

Seit zwei Monaten liegt der Endverwendungsnachweis aus Iringa vor, eine weitere beeindruckende, umfangreiche, detaillierte und illustrierte Erfolgsmeldung, gefüllt auch mit Geschichten von „Klienten“, aus Jugend-, Familien- und Frauengruppen mit vielfältigen „Überlebens- und Unternehmensideen, um Arbeitsplätze und Einkommen zu schaffen, ein Kontrast zur beschriebenen Kritik, dennoch denken wir, dass dieses Projekt, wenn auch nicht als Lösung, so doch als Beitrag und respektabler Lernschritt der Solidarität betrachtet werden kann, belegt mit persönlichen Zeugnissen, Stimmen aus dem Süden, von denen hier nur wenige wiedergegeben werden können:

„Ich heiße Asunta Danda. Unsere Familiengruppe hat drei Mitglieder und wir verkaufen Kosmetikartikel. Ich bin alleinerziehende Mutter von drei Kindern. Durch einen Kredit von IDYDC für unser kleines Geschäft, kann ich nun die Schulgebühren meiner Kinder bezahlen. Darüber hinaus konnte ich Einrichtungsgegenstände und Haushaltsartikel kaufen. Wir haben geregeltes Essen, können uns Kleidung leisten und medizinische Versorgung, wenn meine Kinder oder ich krank werden.“

Majaribio ist eine Familiengruppe. Sie züchtet Legehennen zum Eierverkauf. Auch diese Gruppe kann durch die Erlöse die Kinder in die Schule bringen und deren Schulgebühren und andere Ausgaben bezahlen. Sie konnte sich bereits ein Stück Land kaufen, auf dem sie nun ihr eigenes Haus bauen wird.

„Ich heiße Salima Kindole und bin die Gruppenvorsitzende. Ich bin Hausfrau und betreibe die Aufzucht von Milchkühen. Durch die Kreditaufnahme bei IDYDC konnten wir unser eigenes Haus bauen und dorthin umziehen. Den Erlös investieren wir in das Projekt und können dadurch unsere Kinder unterstützen und auf die Schule schicken.“

Naserian, Gruppenvorsitzender Singai Semindu, ist eine Gruppe von Massai, die handgemachte, traditionelle Schmuckartikel verkauft. Durch die Erlöse konnte sie ihre Kinder auf die Schule bringen, was für die Bevölkerungsgruppe der Massai, einen großen Schritt bedeutet. Normalerweise hüten Kinder im schulfähigen Alter die Ziegen und Schafe der Familie. Durch das Mikrofinanzprogramm konnte die Familie sich auch weitere Kühe und Ziegen kaufen und sich ein Haus in Ruaha Mbuyuni bauen.

Die hier vorgestellte Jugendgruppe wird von Frau Subira Ally geleitet. Die Jugendlichen, aus seiner Familie stammend, eröffneten zunächst einen Damensalon und mit Hilfe weiterer Kredite später auch einen Herrensalon.

„Ich heiße Josephine Mjami und bin die Vorsitzende der Amani Gruppe. Ich bin seit zwei Jahren Witwe mit drei Kindern. Nach dem Tod meines Mannes, dauerte es noch ca. drei Monate bis ich den Entschluss fasste, mit zwei anderen Frauen zusammen ein Team zu bilden und ein kleines Geschäft aufzubauen in dem wir Dinge des täglichen Bedarfs verkaufen. IDYDC half uns sowohl finanziell, durch die Bereitstellung eines Kleinkredites als auch durch ein Businesstraining. Wir sind IDYDC und den Geldgebern sehr dankbar für die Unterstützung. Unser langfristiger Plan ist, dass jede aus unserer Gruppe ihr eigenes Projekt/Geschäft mit Hilfe des erwirtschafteten Gewinns aufbauen kann.“


Kritische Anmerkungen zu Mikrokrediten

Am 15. Mai wurde intensiv über Mikrokredite diskutiert. Erfolgsmeldungen sind nicht unbedingt ein guter Bewertungsmaßstab. Die Gläubiger(innen), egal ob kommerziell oder gemeinnützig, wollen Mikrokredite in einem möglichst guten Licht erscheinen lassen. Diese Erfolgsmeldungen motivieren Menschen, Mikrokredite aufzunehmen, z.B. um die Kinder in die Schule schicken oder medizinische Behandlungen bezahlen zu können. Mikrokredite von sozialen Organisationen wurden als Türöffner für Mikrokredite von gewinnorientierten Banken genutzt. So wurden Menschen an Mikrokredite gewöhnt und anschließend in die Schuldenfalle getrieben. Selbst im bestmöglichen Fall müssen die Rückzahlungsraten, einschließlich der Zinsen, zusätzlich zum Lebensunterhalt von den Gläubigerinnen erst einmal erwirtschaftet werden. Selbst wenn sie noch so fleißig sind, wenn es keine entsprechende kaufkräftige Nachfrage gibt, haben sie keine Chance.

Wenn das Geld der potentiellen Kaufenden alle ist oder die Nachfrage gedeckt ist, können die Schulden nicht zurückgezahlt werden. Hinzu kommen noch Unglücksfälle (z.B. Krankheit, Naturkatastrophen). Arbeitsplatz- und Einkommensschaffung bedeutet im Regelfall, dass Menschen, die sich bisher selbst versorgten bzw. gegenseitig unterstützten und nur ihre Überschüsse verkauften, in ein Markt- und Konkurrenzsystem gedrückt werden. Das schwächt im Gegensatz zu den behaupteten Vorteilen von Mikrokrediten den sozialen Zusammenhalt. Das Beispiel der Landlosenbewegung in Brasilien zeigt außerdem, wie Menschen gemeinsam ganz ohne Mikrokredite bei Verfügung über die entsprechende Ressourcen (wie Land, Saatgut, Geräte, Fähigkeiten usw.) eine erfolgreiche Wirtschaft aufbauen können. Sie können sich gemeinsam weitestgehend selbst versorgen (Ernährungssouveränität) und können gemeinsam ihre Wohnsituation verbessern. Außerdem könnten sie gemeinsam Schulen und Krankenstationen betreiben. So kann eine für die Einzelpersonen kostenlose Bildung und Gesundheitsbetreuung gewährleistet werden.

Mikrokredite richten sich dagegen an Einzelpersonen, nicht an Gruppen, und müssen zurückgezahlt werden. Das führt zu einem Verkaufszwang, statt dass die Menschen sich gegenseitig unterstützen. Durch gemeinsame Lösung von Problemen werden Selbstbewusstsein und Würde viel mehr gestärkt, als wenn Menschen gegeneinander konkurrieren. Und ein solidarisches statt ein konkurrenzorientiertes Wirtschaftssystem ist auch für uns besser. Es gibt somit keine guten Mikrokredite, sondern sie sind bestenfalls nur eine im Rahmen des herrschenden unsozialen Wirtschaftssystems weniger schlechte Finanzierungsmöglichkeit.

Letzte Änderung am Donnerstag, 21 Mai 2015 22:59

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