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Flüchtlingszelte in der Türkei (Sept. 2012) Flüchtlingszelte in der Türkei (Sept. 2012) Henry Ridgwell

Fluchtursachen - Was haben sie mit unserem wirtschaftlichen und politischen System zu tun?

geschrieben von  Uwe Schnabel Nov 27, 2015

 

 

 

 

Unser kapitalistisches System, insbesondere die westlichen Industrieländer als größte Pro-Kopf-Verbraucher, benötigt viele, möglichst billige Rohstoffe (z.B. Bodenschätze, Holz, Agrarprodukte oder Fisch). Diese werden auch aus den Ländern des globalen Südens, also der Zwei-Drittel-Welt, importiert. Das führt dort nicht selten zu Wasserverschmutzung, Landraub und weiterer Zerstörung der Lebensgrundlagen der einheimischen Bevölkerung. Wenn die Regierungen jener Länder diese Rohstoffe möglichst teuer verkaufen oder im Lande behalten und selbst verarbeiten wollen, werden sie häufig gewaltsam gestürzt. Das betraf in jüngster Zeit z.B. Libyen, und vorher z.B. den Iran 1953, Guatemala 1954, Kongo-Zaire - Patrice Lumumba, Indonesien 1965, Putsch gegen Allende am 11.9.1973. Die USA wollte Vietnam in die Steinzeit zurückbomben und weiteten dies dann auch auf ganz Indochina aus.Teilweise ist die Folge auch nicht die Installierung dem Westen genehmer Regierungen, sondern die Instabilität des Landes (z.B. Somalia, Afghanistan, Irak, Südsudan, Syrien, wieder Libyen).

Eine weitere Methode zur Sicherung billiger Rohstoffe, des freien Zugangs zu Märkten oder prinzipiell zur Sicherung des Einflusses der westlichen kapitalistischen Staaten ist die Spaltung des Landes (z.B. Jugoslawien, Sudan). Oder es werden Bürgerkriege gefördert (z.B. Mali, Zentralafrika, Syrien). Der Westen (auch die USA oder die BRD) exportiert viele Waffen, entsendet eigene Truppen oder unterstützt wie z.B. in Somalia oder im Jemen den Einsatz anderer Truppen zur Durchsetzung der eigenen Interessen.

 

Da insbesondere den westlichen Staaten nur ihre Interessendurchsetzung wichtig ist und dies häufig nur gegen den Willen der Bevölkerung geschehen kann, fördern sie in betroffenen Ländern Korruption und Demokratiefeindlichkeit, wie dies z.B. in Griechenland oder bei den Militärputschen in Lateinamerika zu beobachten ist. Z.B. sind im Rahmen des "Krieges gegen den Terror" viele Regierungen gezwungen, Repressionsmaßnahmen durchzuführen oder zu unterstützen, um nicht selbst Opfer westlicher Angriffe bzw. Sanktionen zu werden. Und auch kritikwürdige Traditionen (z.B. geschlechtsspezifische Benachteiligungen, Unterdrückung von Homosexuellen) als Fluchtursachen sind häufig Folge des Handelns westlicher Staaten. Entweder wollen Regierungen, die sich dem Westen unterworfen haben, der Bevölkerung eine Identifikationsmöglichkeit bieten (z.B. Saudi-Arabien). Oder wegen des westlichen Terrors (Durchsetzung westlicher wirtschaftlicher und politischer Interessen mit Gewalt) leisten reaktionäre Gruppen Widerstand, weil linke Gruppen ausgeschaltet wurden bzw. diese reaktionären Gruppen ursprünglich sogar mit Unterstützung westlicher Staaten gegen linke Gruppen aufgebaut wurden (z.B. Islamisten, z.B. Taliban, Osama bin Laden). So konnte die islamische Republik im Iran nur entstehen, weil die USA 1953 die demokratische iranische Regierung stürzte. Der Islamische Staat ist eine Folge des Krieges des Westens gegen den Irak und Syrien, die Taliban eine Folge der Bekämpfung der von der Sowjetunion unterstützten fortschrittlichen Regierung in Afghanistan in den 1980er Jahren, insbesondere mit Unterstützung der USA. Weil viele Länder des Globalen Südens von internationalen, insbesondere westlichen, Konzernen ausgeplündert werden, haben sie keine Mittel zur Sicherung einfachster Lebensgrundlagen, wie z.B. ein angemessenes Gesundheits- und Bildungssystem oder eine Nahrungsgrundversorgung. Hinzu kommen noch Folgen globaler Probleme, wie z.B. des Klimawandels, der auch hauptsächlich durch Treibhausgasemissionen der Industriestaaten, insbesondere westlicher Staaten als größte Pro-Kopf-Emittenten, verursacht werden. So wie zu DDR-Zeiten stellt sich auch heute der Westen in seiner Außendarstellung gegenüber möglichen Flüchtlingen positiver dar, als er ist. So will er den Eindruck vermitteln, dass er ein Hort von Freiheit, Demokratie, Wohlstand und Menschenrechten ist, obwohl sein Wohlstand wesentlich auf der Ausplünderung anderer Menschen und Länder beruht. Freiheit heißt zuerst Freiheit des Kapitals. Und Demokratie und Menschenrechte werden zwar in Sonntagsreden hochgehalten, wenn sie aber Profitinteressen entgegenstehen, wird sehr schnell darauf verzichtet (z.B. TTIP, Griechenland). Neben dem Effekt, dass so viele Menschen den Westen sehr positiv sehen, außer in den Bereichen, in denen sie selbst negative Erfahrungen gemacht haben, führt das dazu, dass auch viele Menschen an diesem positiven Zustand teilhaben wollen. Das verstärkt die Flucht.

 

All dies führt zu vielen Millionen Flüchtlingen. Die meisten von ihnen sind Binnenflüchtlinge oder fliehen in die ebenfalls durch diese Mechanismen verarmten Nachbarländer. Somit sind für einen Großteil der Flüchtlinge das kapitalistische System und das in diesem Sinne handelnde westliche politische System entweder hauptverantwortlich oder sie haben zumindest einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet. Das gilt unabhängig davon, ob die Flüchtlinge diese Zusammenhänge selbst erkennen oder nicht. In der Flüchtlingsbewegung, z.B. der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge, ist klar: "Wir sind hier, weil Ihr unsere Länder zerstört."

 

 

 

Letzte Änderung am Donnerstag, 24 November 2016 13:05

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