Die Produktionsregion post-sozialistischer Länder Europas und der Türkei hat eine hohe Relevanz, denn die Hälfte der Bekleidungsimporte in die EU 27 stammt aus Europa. In der Fertigung von Bekleidung in Osteuropa und der Türkei erhalten die NäherInnen durchgehend Armutslöhne – wie in Asien. Teils liegen die Nominallöhne unter denen Chinas. ArbeiterInnen sind froh, wenn sie wenigstens den gesetzlichen Mindestlohn verdienen und ihn regelmäßig ausbezahlt bekommen. Die Studie belegt, dass dieser ohnehin nur zwischen 14 % (Bulgarien, Ukraine, Mazedonien) und 36 % (Kroatien) eines existenzsichernden Einkommens abdeckt. Diese dramatische Kluft zwischen dem Verdienst und dem, was zum Leben notwendig wäre, erklärt sich aus den extrem tiefen Löhnen im Verhältnis zu den Ladenpreisen, die teils höher sind als in Deutschland. Die Beschäftigten halten sich durch Zweitjobs und eigene Landwirtschaft über Wasser, mit der sie ihre kargen Bezüge subventionieren.
In Ländern wie Rumänien, Kroatien oder Georgien gibt es eine lange textile Tradition sowie hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Firmen wie Adidas – Großverdiener im Weltfußballgeschäft -, Zara, H&M, Benetton oder Hugo Boss – Anzugausrüster der deutschen Nationalkicker – nutzen diesen Vorteil, zahlen jedoch Löhne unterhalb der Armutsgrenze. Christa Luginbühl, eine der Verfasserinnen der Studie, sagt: “NäherInnen in Europa, genau vor unserer Haustür, arbeiten hart und lange für einen Lohn, der nicht einmal für Lebensmittel ausreicht. Fashion-Größen wie Hugo Boss, Zara, H&M fahren trotz der Krise satten Gewinn ein, die Arbeitsbedingungen in den genannten Produktionsländern aber haben sich seit 2008/09 noch mehr verschlechtert.“
Ko-Autorin Bettina Musiolek unterstreicht: “Die meisten KonsumentInnen wissen, NäherInnen in Asien werden ausgebeutet, erhalten niedrige Löhne und arbeiten unter schlimmsten Bedingungen. Diese Studie alarmiert: ‚Made in Europa‘ ist keine Garantie für menschenwürdige Arbeitsbedingungen, die Kluft zwischen den ausgezahlten und existenzsichernden Löhnen ist teilweise noch größer als in asiatischen Produktionsländern”.
Marken und Modehäuser müssen sich klar zu einem Existenzlohn bekennen und konkrete Schritte unternehmen, damit die Menschen, die ihre Produkte – egal in welchem Teil der Welt – produzieren, einen Lohn erhalten, der ihnen ein menschenwürdiges Dasein garantiert. Die Kampagne für Saubere Kleidung fordert gemeinsam mit den ArbeiterInnen, Arbeits- und Menschenrechtsorganisationen der Region als erste dringende Maßnahme, dass der Basis-Nettolohn auf mindestens 60 % des nationalen Durchschnittslohns erhöht werden muss. “Stiched Up – Im Stich gelassen” ist Teil einer umfassenden Initiative der internationalen Kampagne für Saubere Kleidung unter dem Thema Lohn zum Leben. Modemarken und -händler müssen jenen Menschen einen existenzsichernden Lohn zahlen, die sich für ihren Profit krumm machen. Dies fordert auch die Kampagne „Deine Stimme gegen Armut“ in ihrer aktuellen Aktion „Ich geb alles!“ für die weltweite Durchsetzung menschenwürdiger Arbeit. Gleichzeitig mit dem Bericht „Im Stich gelassen“ veröffentlicht die Kampagne für Saubere Kleidung die Ergebnisse einer Firmenbefragung, den „Firmen Check 2014“. Daraus geht hervor, welche Unternehmen sich für die Bezahlung von existenzsichernden Löhnen engagieren. Ergänzend lässt sich über die App „Fair Fashion?“ die Performance hinsichtlich der Bezahlung von existenzsichernden Löhnen der 50 wichtigsten europäischen Modehäuser online abrufen und in übersichtlicher Form ablesen.
Kontakt:
Bettina Musiolek
0351 49 233 61
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Weitere Informationen:
lohnzumleben.de/im_stich_gelassen
lohnzumleben.de/laenderdossiers_ost_2014
lohnzumleben.de/firmencheck_2014
lohnzumleben.de/firmencheck_app
Was kann jedeR tun? Verfolgen Sie Aktionsaufrufe auf der Facebook-Seite der Kampagne für Saubere Kleidung oder auf lohnzumleben.de/aktion. Abbonieren Sie den Newsletter auf lohnzumleben.de Die Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign) ist ein internationales Netzwerk, das sich für Menschenrechte in der Bekleidungsindustrie einsetzt. In 17 europäischen Ländern gibt es nationale CCCs. Weltweit arbeitet die CCC mit ca. 200 Organisationen in Produktionsländern von Bekleidung zusammen.