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Interview mit Mauricio Salazar, Mitarbeiter von SERAPAZ

geschrieben von  Dr. MiguelAngel Ruiz Martinez Mai 21, 2015

In Mai 2014, während eines Aufenthalts in Mexiko, mein Heimatland, habe ich Marucio Salazar und seine Arbeit in SERPAZ (Dienstleistung und Beratung für den Frieden) kennengelernt. Am 1. Mai gab es ein Treffen mit der Nationalen Plattform der Opfer gegen das gewaltsame Verschwindenlassen in Mexiko City.

In Mexiko sind schätzungsweise über 30.000 Menschen gewaltsam verschwunden.) Als ich beim Treffen war, überraschte mich die Spannungsbreite von Organisationen, die kamen, fast alle Bundesländer waren da und noch Organisationen aus El Salvador, Honduras und Guatemala. Außerdem traf ich auch kompetente Berater_innen von verschiedenen internationalen Organisationen, die SERAPAZ unterstützen. Erstaunt war ich weiter über die Themen der Tagesordnung: z.B „Analyse der Wirkungsgefüge der Politik der aktuelle Regierung“. Imponiert haben mich auch die Teilnehmer_innen - ganz normale einfache Leute: Mütter, Väter, Geschwister, aber auch Freund_innen. Beim Austausch konnte ich spüren, was die Zapatistas mit dem Ausdruck „La Digna Rabia“ - die würdige Wut meinen. Es beeindruckte mich die Kraft und Hoffnung, die diese „normalen“ Leute zeigen. Eine würdige Wut, die die Kraft und Entschlossenheit gibt, um weiter gegen die Ungerechtigkeit, Straflosigkeit zu kämpfen, aber gleichzeitig Hoffnung, Solidarität und Verantwortung hoch hält. Einige haben gleich mehrere verschwundene Verwandte, wie der Fall von der kleinen Frau Rosario (Name geändert) aus Nordmexiko: Ehemann, und zwei Söhne wurden gewaltsam entführt. Die Frau hat gegen Berge von mexikanischen Behörden, Despotie, Arroganz und bestimmt mit Frustration, Schmerz, Verzweiflung zu kämpfen. Trotz alledem ist sie bei der Tagung, um zu berichten, mitzuarbeiten und zu lernen für das Weitersuchen. Nur die Hoffnung nicht sich nehmen lassen.

Miguel Ruiz: Hola Mauricio, kannst du uns erzählen, was für eine Arbeit du hier in Mexiko machst und was das für eine Organisation ist, für die du arbeitest?

Mauricio Salazar: Ich arbeite in Mexiko als mitarbeitende Fachkraft der EZ (Entwicklungszusammenarbeit) für eine mexikanische Nichtregierungsorganisation: SERAPAZ. Meine Arbeit in dieser Organisation wird von Brot für die Welt unterstützt. Ich mache das jetzt schon fünf Jahre und mir bleibt noch ein Jahr, um den Zyklus meines Vertrags zu erfüllen. Unsere Arbeit ist auf die große Herausforderung gerichtet, die Spannungen sozialer Konflikte ins Positive umzuwandeln. Eine Methode, die hilft, ungerechte Strukturen ohne die Anwendung von aktiver Gewalt zu transformieren. Meine Arbeit ist verbunden mit dem Kontext eines Landes und einer Region, genauso wie mit der aktuellen Lage des Landes. Viele Prozesse haben eine regionale und globale Dimension. Bei anderen Herausforderungen, die unsere Arbeit stark beeinflussen, habe ich eine Stütze durch meine Erfahrungen in Deutschland. Ich kam nach Mexiko während der Zeit der Regierung der PAN-Partei mit all der Kompliziertheit der Sicherheitslage, die für uns eine enorme Zahl von Opfern bedeutete, die ignoriert und als Kolateralschaden bezeichnet wurden, einer Zeit der Rückkehr zur Politik der PRI Partei, welche die zentrale Kontrolle beabsichtigte und eine tiefe Besorgnis bei unseren Aufgaben als Organisation, die sich den konfliktgeladenen Prozessen widmet, hinterließ. Die Punkte, die uns gegenwärtig Sorgen machen, sind: Die Rückkehr zu einer Politik der zentralen Kontrolle, ausgehend vom Autoritarismus der PRI Partei (Institutionelle Partei der Revolution). die Einführung von strukturellen Reformen, die den nationalen und globalen wirtschaftlichen Interessen entsprechen und wo die faktischen Mächte (Medien Unternehmen, das organisierte Verbrechen) eine sehr bedeutende Rolle als Akteure mit einer großen Auswirkung auf das soziale Konfliktpotential und der Gewalt spielen. Die Kontrolle und die Kriminalisierung des sozialen Protestes durch einen repressiven gesetzlichen Rahmen. Außerdem eine konstante Militarisierung des Landes als Antwort auf die Sicherheitslage. Meine Arbeit besteht in der Koordinierung verschiedener Prozesse von komplexem Konfliktpotential. Ein anderes Gebiet, welches ich koordiniere, ist die nationale Plattform bzw. das Nationale Treffen der Opfer gegen das gewaltsame Verschwindenlassen. Die internationalen Mitteilungen sind ebenfalls Teil meines Auftrags.

M.R.: Aber vielleicht kannst du uns zuerst etwas über deinen Bezug zu Deutschland erzählen? Und wie bist du hierher nach Mexiko gekommen?

M.S.: Meine Verbindung zu Deutschland ist sehr stark. Außer dass ich sehr jung nach Deutschland kam und studierte, gründete ich dort auch meine Familie und das beschreibt meine emotionale Bindung. Politisch war Deutschland für mich eine sehr große Erfahrung. In der Menschenkette gegen die „Pershing“ Raketen, in diesem Kontext lernte ich, dass es in den Migrationsprozessen viele politische Konstruktionen gibt, in Folge dessen man eine starke Stigmatisierung durchläuft, denn man ist weder nur Revolutionär, noch Indigener, noch Latin-Lover oder Salsa-Tänzer. So durchlief ich verschiedene Stationen vom „Ausländer“, „Migrant“, „ausländischer Mitbürger“ und Deutscher mit Migrationshintergrund. Ich glaube, letztendlich unterschied ich mich nicht so sehr von meinen deutschen Freunden, wir teilten Ideale, Verpflichtungen und politische Identität, wir machten Politik an der Universität und so blieb ich bei unserem, meinem persönlichen Kompromiss, gegen die Ungerechtigkeit vorzugehen und Strukturen auf friedlichem Weg umzuwandeln. Ich weiß nicht, ob ich irgendwann das war, was man von mir erwartete. Aber ich fühle mich als Mexikaner und Deutscher, deswegen, weil ich beide Identitäten nutze.

M.R.: Es wäre gut, wenn wir kurz etwas über SERAPAZ erfahren. Welche Herkunft hat diese Organisation? Welche Aufgabe hat sich SERAPAZ gestellt?

M.S.: SERAPAZ entstand im Zusammenhang mit dem Zapatista- Konflikt in Chiapas. Sie wurde durch den Erzbischoff Samuel Ruiz Garcia gegründet im Einklang mit seinem Eintreten für die Schwachen, die Armen, für die man beabsichtigt hat ihre Fähigkeiten zu stärken, damit sie selber die Protagonisten ihrer Entwicklung werden. Seit ihrer Gründung wurde ihr Aktionsradius ausgedehnt, infolge des Anwachsens der sozialen Konflike. SERAPAZ ist eine zivile mexikanische Nichtregierungsorganisation, unabhängig und gemeinnützig, mit Dienst am Frieden, der Umwandlung sozialer Konflikte durch die Förderung und Artikulation von zivilen Prozessen und Initiativen, der Forschung und Publizistik, Befähigung, Beratung, Eintreten und Überwachung von Prozessen, die zum Erreichen des Friedens beitragen.

SERAPAZ tritt ein, um die administrative und finanzielle Leitung zu vereinfachen in Anlehnung an die vermittelnde Arbeit der Nationalen Kommission der Vermittlung (CONAI). Als Ausdruck dessen übertrug im Juni 1998 die CONAI an SERAPAZ ihre verschiedenen Aufgaben der zivilen Vermittlung für die Arbeit für den Frieden. Für die Entwicklung unserer Aufgaben führt SERAPAZ durch: Gespräche mit den verschiedenen politischen und sozialen Akteuren in Bezug auf die grundlegenden Ursachen der Konflikte und ihrer notwendigen Lösung. Förderung von Initiativen, Annäherung und Anstoß der Dynamiken zur sozialen Teilnahme und Unterstützung bei der Errichtung neuer sozialer Beziehungen im Dialog. SERAPAZ hat an diversen Prozessen in verschiedenen Staaten des Landes gearbeitet: Oaxaca, Guerrero, des Staates von Mexiko, Distrito Federal, Hidalgo, Morelos, Michoacán, Ciudad Juárez, Morelos, Jalisco. www.serapaz.org.mx

M.R.: Mit wem kooperiert SERAPAZ in Deutschland?

M.S.: SERAPAZ ist eine zivile vermittelnde Organisation in einem extrem gewalttätigen Umfeld, daher sind die internationalen Auslegungen von äußerster Wichtigkeit wegen der Sicherheit und der Überwachung der Vereinbarungen. SERAPAZ erhält als eine vermittelnde Instanz zwischen den sozialen Akteuren - in der Mehrheit Fälle aus Mexiko - keine finanzielle Unterstützung vom Mexikanischen Staat. Das Ziel der Organisation ist die positive Umwandlung der sozialen Konflikte. Dabei soll die aktive Gewalt als Weg zur Konfliktlösung verhindert werden, indem die Akteure gestärkt werden, dass sie ins öffentliche Leben eingreifen und „runde Tische“ bilden, Gespräche vermitteln.

In Deutschland haben wir viele starke Verbündete wie: Brot für die Welt, ADVENIAT (Lateinamerika-Hilfswerk der Katholiken in Deutschland), politische Stiftungen, die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko, den DAAD (Deutschen Akademischen Austauschdienst), Misereor und den deutschen Staat, mit dem wir mittels verschiedener Instanzen wie dem Ministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit, dem Außenministerium, der deutschen Botschaft in Mexiko Gespräche führen. Außerdem haben wir sehr enge Verbindungen zu unabhängigen Beratern auf dem Gebiet der Menschenrechte und zu anderen zivilen Instanzen und Organisationen.

M.R.: Mauricio, du kennst die soziale Bewegungen in Deutschland und in Mexiko?

M.S.: Ja, ich kenne die Sozialbewegungen in beiden Ländern und das ist sehr wichtig, da die Kontexte sehr unterschiedlich sind. Ich glaube, es ist sehr wichtig, das tiefliegende Misstrauen, dass die Sozialbewegungen in Mexiko gegenüber den politischen Institutionen haben, hervorzuheben. Aber es ist auch sehr wichtig, die aktuelle große Unterdrückung und Kriminalisierung des sozialen Protests in Mexiko anzubringen. In Mexiko haben wir Akteure von großen „Einschlag“, die man berücksichtigen muss, wie die Organisierte Kriminalität, die zivilen Organisationen für die Selbstverteidigung (Las Autodefensas), die aus Grund der Gewaltentwicklung und das Zurückziehen des Staates in mehreren Regionen des Landes gegründet worden sind. Die Sozialbewegungen in Mexiko sind schwerwiegend durch strukturellen Reformen eines neoliberalistischen Programms benachteiligt. Damit wird versucht, die Arbeitsrechte zu deaktivieren, um Mexiko als eine billige Lohnzone zu erhalten.

M.R.: Welche sind die aktuellen wichtigsten Punkte?

M.S.: Unsere Priorität aus lange Sicht ist die positive Transformation von sozialen Konflikten. Das neoliberalistische Projekt setzt weiter die Sozialentwicklung unter Druck. Die sozialen Ungleichheiten sind jedes Mal größer und die Massenverarmungsprozesse schreiten weiter vor. Wir haben einen formellen Wirtschaftssektor, der keine Arbeitsplätze schafft und einen informellen Sektor, von dem viele Menschen leben. Die organisierte Kriminalität wird zur Lebensperspektive von jungen Leute. So wird das soziale Gewebe weiter zerfressen und trägt so weiter zu Spirale der Gewalt bei. Die meisten Konflikte, die wir behandeln, beziehen sich auf Spannungen um die komplexe Land- und Ressourcenfrage. Hierum teilen sich die Gemeinden, kriminalisieren und treiben selber unter sich aus, was ihre Führungen schwächt und letzten Endes werden diese durch wirtschaftliche Machtstrukturen ersetzt. Aufgrund des Gewaltkonxtextes, muss sich die Organisation immer mehr mit Sicherheitsfragen beschäftigen, insbesondere geht es um die Begleitung von Gewaltopfern, wie die Opfer des gewaltsamen Verschwindenlassens. Hier koordinieren wir drei große Plattformen. Ein wichtiger Schwerpunkt ist die Stärkung der Kompetenzen der sozialen Akteure im Umgang mit sozialen Konflikten, deswegen bieten wir eine „Friedensschule“ an, die in vier Module unterteilt ist. Die Module werden über das Jahr verteilt und dauern jeweils drei Tage. Diese Schule wird von Mitgliedern von sozialen Organisationen und indigenen Gemeinden, die in Konflikt sind, besucht. In dieser Schule wird der eigene Konflikt analysiert und die möglichen anwendbaren Strategien in Betracht gezogen. Wir bieten aber auch punktuelle Beratung zu sozialen Konflikten an, wenn Nachfrage besteht.

M.R.: Findest du Punkte, die Gemeinsamkeiten oder Entwicklungen in Mexiko und in Deutschland zeigen? Oder sind die beiden Realitäten wirklich weit auseinander?

M.S.: Obwohl wir von unterschiedlichen Kontexten ausgehen, gibt es wohl regionale oder globalen starken Verbindungen, mit unsere Arbeit in Mexiko. Die Prozesse, die mit Land und Ressourcen zu tun haben, sind nur im globalen Kontext zu verstehen und damit äußerst komplex und konfliktiv. So handelt es sich zum Beispiel um Investitionen in die Infrastruktur von großen touristischen Projekten, um Privatisierung der extraktiven Industrie (Minen), oder um geschäftliche Verbindungen mit dem organisierten Verbrechen, welche von Menschenhandel bis Export von Mineralien reichen. Mit Deutschland gibt es viele Verbindungen sowohl bei den industriellen Investitionen, aber auch beim Import von Waffen, wie von Heckler und Koch. Ferner auch bei Investitionen in die Infrastruktur, wo für die nächsten Jahre eine starke Zunahme zu erwarten ist. Menschenrechte sind für uns unzerlegbar und anwendbar in allen Aspekten der Kultur. Zudem erhalten wir eine große politische und finanzielle Unterstützung von Deutschland, weiterhin führen wir analytische Sitzungen mit der deutscher Botschaft in Mexiko durch, sowie mit anderen deutschen Organisationen.

M.R.: Wie ist die Reaktion und das Bewusstsein von der Zivilgesellschaft gegenüber den Problemen, der von euch betreuten Organisationen?

M.S.: SERAPAZ genießt eine hohes Ansehen bei den soziale Bewegungen und der Zivilgesellschaft, das stärkt uns für die Art der Arbeit, die wir machen. Das Vertrauen ist wichtig, um unsere Mediationsarbeit zu realisieren. Wie ich bereits erwähnte, in der mexikanischen Zivilgesellschaft haben wir viel Misstrauen gegenüber politischen Organisationen, das wiederum ist eine große Hürde, um politischen Forderungen zu artikulieren.

M.R.: Welche Probleme, Hürden, Gefahr haben die Organisationen, die Ihr betreut?

M.S.: Die Hauptprobleme ist die Kriminalisierung des sozialen Protests, das für die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sozialen Kämpfer und sozialen Kämpferinnen ein hohe Lebensrisiko darstellt. In vielen Gebieten gibt es große Angst, deswegen kann man kein sozial politisches Netzwerk aktivieren. In vielen Zonen ist die Kirche diejenige, die Prozesse anstößt und uns um Unterstützung und Begleitung bittet.

M.R.: Wenn du irgendwann noch mal soziopolitische Arbeit in Deutschland machen würdest, welche Aspekte der aktuellen Erfahrungen, kann man in Deutschland anwenden?

M.S.: Alle die persönlichen Erfahrungen in meiner Arbeit und meine Verpflichtung sind eine große Lehre. Ich brachte vielen Sachen aus Deutschland mit, aber ich nehme eine Truhe, die ich mitteilen könnte. Das Zusammengehen mit den Opfern, hat mir gelehrt, der Kopf nicht zu senken und für die Hoffnung zu kämpfen. Das Humane und die Solidarität haben keine Nationalität und unsere Verpflichtung stammt aus der Ungerechtigkeit, die wir transformieren wollen, beim Zusammengehen mit den Verwundbaren und mit den Mächtigen.

M.R.: Vielen Dank für das Gespräch.


The International Convention for the Protection of All Persons from Enforced Disappearance (ICCPED) is an international human rights instrument of the United Nations and intended to prevent forced disappearance defined in international law, crimes against humanity.

„Enforced disappearance“ is defined in Article 2 of the Convention as the arrest, detention, abduction or any other form of deprivation of liberty by agents of the State or by persons or groups of persons acting with the authorization, support or acquiescence of the State, followed by a refusal to acknowledge the deprivation of liberty or by concealment of the fate or whereabouts of the disappeared person, which place such a person outside the protection of the law.

In Mexiko werden MenschenrechtlerInnen, Politiker_innen, Jornalist_innen, Verteidiger_innen, Indigene wegen Extraktion Industrie Minen vor allen aus Kanada, Sozialbewegungen oder Sozialproteste, Landkonflikten, Wasserverfügbarkeit, Staudämmen, politische Partizipation, Landraub, Tourismusinfrastruktur u.a gewaltsam entführt.

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