Bei den „Compacts“ handelt es sich um „Investitionspartnerschaften“ zwischen als reformwillig geltenden afrikanischen Ländern, den internationalen Finanzinstitutionen und G20-Partnerländern. Die afrikanischen Staaten verpflichten sich zu Reformen, die sie für (ausländische) Investoren attraktiver machen. Die internationalen Finanzinstitutionen und bilateralen Partner unterstützen sie dabei durch technische und finanzielle Hilfe. Durch die politische Unterstützung der G20 sollen private Investoren mehr Vertrauen in die ausgewählten Länder gewinnen. Jedes Land handelt ein individuelles Maßnahmenpaket mit den beteiligten Partnern aus. Alle afrikanischen Länder wurden zur Teilnahme an der Initiative eingeladen. Der Einladung bislang gefolgt sind der Senegal, die Elfenbeinküste, Tunesien, Marokko, Ruanda, Ghana und Äthiopien.
Mehr öffentliche Entwicklungshilfemittel gibt es dabei ausdrücklich nicht. Aus dem bestehenden Entwicklungshaushalt wurden lediglich 300 Millionen Euro unter dem Etikett „Marshallplan mit Afrika“ abgezwackt, die den bislang drei „Compact“-Ländern der Bundesregierung – Tunesien, Ghana und die Elfenbeinküste – für Projekte etwa im Bereich der erneuerbaren Energien oder der Finanzmarktentwicklung zur Verfügung stehen.
Die nächsten G20-Präsidentschaften haben bereits signalisiert, dass sie die Initiative weiter aufgreifen wollen, so dass mehr Länder hinzukommen können. 2018 liegt die G20-Präsidentschaft bei Argentinien, das bereits überlegt, die Initiative auch auf nicht-afrikanische Länder auszuweiten.
Compact with Africa ist der jüngste Ausdruck eines einseitigen Entwicklungsdiskurses, der auf privates Kapital als alleinigen Heilsbringer setzt. Staatliche Entwicklungshilfe habe versagt, heimische Ressourcen reichen nicht, man müsse nun auf private Investoren setzen, die Afrika mit Milliardensummen „helfen“ sollen. Öffentliche Mittel sollen vor allem zur Absicherung der (ausländischen) privaten Investitionen eingesetzt werden.
Dass ausgerechnet jetzt auf die massive Ausweitung privater Investitionen für Afrika gesetzt wird, liegt vor allem an den Auswirkungen der Niedrigzinspolitik seit der globalen Finanzkrise zur Ankurbelung der Konjunktur in den reichen G20-Ländern. Jede*r Sparer*in in Deutschland etwa spürt die Auswirkungen dadurch, dass er oder sie auf sein Erspartes keine Zinsen erhält. Die in reichen Ländern ansässigen Pensionsfonds, Banken und Unternehmen erhalten auf ihre Anlagen ebenfalls so gut wie keine Rendite, müssten aber aufgrund ihrer Zahlungsverpflichtungen etwa im Bereich der Alterssicherung Renditen über dem Nullniveau erwirtschaften. Also sind sie anderswo auf der Suche nach rentablen Anlagemöglichkeiten. Im Kern geht es beim „Compact with Africa“ also weniger um Entwicklungshilfe als um ein innenpolitisches Ziel: Afrika soll für private Anleger*innen erschlossen werden. Die Bundesregierung erklärt dies auch in aller Offenheit, wenn sie sagt, dass sie Afrika für westliche Pensionsfonds attraktiv machen will. Denn in Afrika sind noch hohe Renditen zu holen, liegen hier doch einige der gegenwärtig weltweit am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften.
Während Schäuble und Co sich viele Gedanken um die Absicherung möglicher Risiken für Investoren machen, blenden sie die Risiken für die afrikanischen Empfängerländer, etwa steigende Schulden, fast vollständig aus.
Dabei sind nach Recherchen von erlassjahr.de aktuell bereits 43 afrikanische Länder von Überschuldung bedroht. In einer derartigen Situation ist die massive Ausweitung von privater Kreditvergabe nur dann zu verantworten, wenn im Falle einer resultierenden Schuldenkrise die Möglichkeit für Schuldenerleichterungen geschaffen wird. Genau dafür sorgt der „Compact with Africa“ aber nicht. Das „African Forum and Network on Debt and Development“ zusammen mit dem „Africa Development Interchange Network“, die eine Konsultation mit zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen aus 40 afrikanischen Ländern organisierten, kritisieren in einer Stellungnahme diese Lücke. Der „Compact“ diskutiere zwar die bessere Überwachung von Schuldenrisiken, doch die Lösung einer eingetretenen Krise würde einfach ausgeklammert. Natürlich ist gegen eine bessere Überwachung von Schuldenrisiken nichts zu sagen, aber nur, weil man eine Gefahr schneller erkennt, heißt das noch nicht, dass man sie auch bewältigen kann.
Dabei müssten die Architekten der „Compact“-Initiative nur in der Geschichte zurückblicken. Der sogenannten „Schuldenkrise der Dritten Welt“ in den 1980er und 1990er Jahren gingen massive Kapitalexporte in den Globalen Süden in Form von Krediten von privaten Banken voraus, die in den 1970er Jahren wegen niedriger Rendite in den reichen Ländern nicht wussten wohin mit ihrem Geld. Als dann globale Zinsen stiegen und Preise für die Exportgüter der Schuldnerländer fielen, wurden viele Schuldnerländer zahlungsunfähig. Weil es keine angemessenen Entschuldungsverfahren gab, dauerte die Lösung der Schuldenkrise rund 20 Jahre, mit dramatischen Konsequenzen für die Menschen in den betroffenen Ländern sowie hohen Kosten für die Steuerzahler*innen in reichen Geberländern, deren Regierungen mit Rettungsgeldern dafür gesorgt hatten, dass die privaten Gläubigerbanken weniger Verluste hinnehmen mussten. Lernen die G20 nicht aus den Erfahrungen der Vergangenheit, riskieren sie, dass sich die Geschichte wiederholt.
Um das zu verhindern, hätten die G20 bei ihrem Gipfel in Deutschland die Gelegenheit nutzen müssen, vorsorglich verbindliche Regeln zur Lösung von Schuldenkrisen zu schaffen. Im März 2017 untermauerten die G20 Finanzminister*innen in ihren Beschlüssen, dass eine Schuldenkrise nur gelöst werden kann, wenn Schuldenerleichterungen von allen Beteiligten mit gutem Glauben, geordnet, zeitig und effektiv verhandelt werden können. Doch die bestehenden Verfahren können das nicht bieten, weshalb die Lösung von Schuldenkrisen oft unnötig lang und mit hohen wirtschaftlichen und sozialen Kosten verschleppt wird. Die Staats- und Regierungschef*innen bei ihrem Gipfel in Hamburg haben es versäumt, den Faden wieder aufzugreifen und die globale Finanzarchitektur an dieser Stelle zu verbessern. Vorherige Versuche an anderer Stelle, ein umfassendes internationales Entschuldungsverfahren zu schaffen, sind meist am Widerstand einiger G20-Länder gescheitert. Damit setzen die G20 die Entwicklungserfolge der vergangenen Jahrzehnte aufs Spiel, obwohl sie angeben, mit dem „Compact with Africa“ für Entwicklung sorgen zu wollen.
Sowohl die Initiative als auch globale Schuldenkrisen werden im nächsten Jahr nicht einfach wieder verschwunden sein. Inwieweit die neue Bundesregierung dafür sorgt, dass sich in der Politik etwas in Richtung faire Entschuldungsverfahren bewegt, werden wir abwarten müssen. Dafür ist der Druck aus der Zivilgesellschaft und die Einforderung von Rechenschaft bei politischen Entscheidungsträger*innen entscheidend. 2018 plant erlassjahr.de daher verschiedene Aktionen und Veranstaltungen, um mit Entscheidungsträger/innen ins Gespräch zu kommen und sie zum Handeln aufzufordern.
Kristina Rehbein ist politische Referentin bei dem Bündnis erlassjahr.de – Entwicklung braucht Entschuldung e.V. Bei erlassjahr.de ist sie u.a. für die Geschäftsführung, Kampagnen und die Region Afrika zuständig. Kristina Rehbein studierte Kulturwissenschaften und Globale Entwicklung und arbeitet seit 6 Jahren bei erlassjahr.de.
Bitte achten Sie darauf, alle Felder mit Stern * zu füllen. HTML-Code ist nicht erlaubt.