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Höchste Zeit – erlassjahr.de fordert G7-Finanzminister zur Lösung der Schuldenkrise auf

geschrieben von  Mara Liebal Aug 21, 2015

83 Länder sind kritisch verschuldet. Das zeigt der Schuldenreport 2015 des deutschen Entschuldungsbündnis erlassjahr.de. In Anbetracht der Politik des billigen Geldes ist zu erwarten, dass es in vielen Ländern im Globalen Süden schon bald wieder zu Schuldenkrisen kommt.

Momentan werden viele Kredite an sogenannte Entwicklungsund Schwellenländer vergeben. Viele Länder haben noch immer unterentwickelte Straßennetze und eine schlecht ausgebaute Energieversorgung. Um die Lebenssituation der Menschen zu verbessern, muss daher investiert werden. Da die eigenen finanziellen Mittel und Entwicklungshilfegelder oft knapp sind, müssen dazu Kredite aus dem Ausland aufgenommen werden.

Gleichzeitig sind Entwicklungs- und Schwellenländer aufgrund ihres Rohstoffreichtums und ihres hohen Wachstumspotentials für Anleger und Investoren attraktiv, denn in den reichen Ländern sind die Gewinnaussichten zurzeit bescheiden. Kredite werden ungeachtet der Rückzahlungskapazitäten der betreffenden Länder vergeben.

Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz erklärt im Vorwort des Schuldenreports 2015: „Seit mehr als drei Jahren leben wir mit historisch niedrigen Zinssätzen auf den internationalen Kapitalmärkten. Deren Folgen für Entwicklungs- und Schwellenländer sind offensichtlich: Wenn Regierungen die Chance haben, günstige Kredite aufzunehmen, dann tun sie das auch. Ganz gleich ob sie mit diesen Krediten in die Infrastruktur und Produktivität investieren, Löcher im öffentlichen Haushalt stopfen, zweifelhafte Geschäfte mit irgendwelchen Spezis in ihrem Umfeld finanzieren oder andere mehr oder weniger ehrenwerte Investitionen tätigen. Und man muss schon ziemlich naiv sein, um anzunehmen, dass im Unterschied zu allen bisherigen derartigen Kreditwellen, einschließlich derjenigen, die zur ‚Schuldenkrise der Dritten Welt’ in den 1980er Jahren führte, ausgerechnet diese nicht in Staatspleiten münden sollte. Genau damit sollten wir in einigen oder sogar in vielen Ländern rechnen.“

Nicht nur Stiglitz, auch viele andere Schuldenexpertinnen und –experten sind sich einig: Die nächste Schuldenkrise kommt! Was oft vergessen wird, wenn über Schuldenkrisen gesprochen wird: Es geht hier nicht um Zahlen, sondern um Menschen. Ist ein Staat überschuldet, ist die Regierung gezwungen, wichtige Ausgaben für die Bevölkerung zu streichen und hohe Steuern einzuführen, um die nicht mehr tragfähigen Schulden zu bedienen. Schulgebühren, unzureichende Gesundheitsversorgung und unbezahlbare Lebensmittelpreise sind die Folgen. Vor allem für diejenigen in der Bevölkerung, die ohnehin durch Armut und soziale Ausgrenzung zu den verwundbarsten Teilen der Bevölkerung gehören, sind die Konsequenzen dramatisch.

Doch obwohl wir erleben, dass Schuldenkrisen immer wieder auftreten, tun unsere Politikerinnen und Politiker in jeder Schuldenkrise so, als wäre die jetzige Krise ein einmaliges und noch nie dagewesenes Phänomen. Schuldenkrisen werden nicht gelöst, sondern mit neuen Krediten finanziert und über Jahre hinweg verschleppt.

Wenn es zu neuen Schuldenkrisen kommt, dann stehen die betroffenen Länder vor den gleichen Herausforderungen wie Mexiko, die Philippinen oder der Senegal in den 1980er und 1990er Jahren und Griechenland heute: Es gibt kein Verfahren, um eine Schuldenkrise schnell und fair zu lösen. Die Kosten dafür zahlen die Menschen in den überschuldeten Staaten. 

Die Entwicklungs- und Schwellenländer haben das erkannt. Sie haben die Nase voll davon, dass die Reichen und Mächtigen allein entscheiden, was im Fall einer Schuldenkrise zu tun ist. Sie haben daher dafür gesorgt, dass die Schaffung eines Insolvenzverfahrens für Staaten auf der Tagesordnung der Vereinten Nationen steht. Nur wenn es ein solches Verfahren, wie Privatpersonen und Unternehmen es in Anspruch nehmen können, auch für Staaten gibt, kann verhindert werden, dass zukünftige Krisen wieder Millionen Menschen die Chance auf ein Leben in Würde nehmen.

Doch einige reiche Länder blockieren diesen Prozess in den Vereinten Nationen – dazu gehören auch Deutschland und die meisten anderen G7-Staaten (mit Ausnahme von Italien und Frankreich, die sich enthalten haben). Sie verschlafen damit die historische Chance, endlich dafür zu sorgen, dass den Lebensbedingungen von Menschen mehr Bedeutung beigemessen wird als der Rückzahlung von Schulden.

Genau deshalb hat erlassjahr.de gemeinsam mit zahlreichen Unterstützerinnen und Unterstützern aus Dresden und ganz Deutschland am 27. Mai während des Gipfeltreffens der G7-Finanzminister ordentlich Krach geschlagen. Mit vielen lärmenden Weckern wurden die schlafenden Finanzminister geweckt. Diese hatten in der Inszenierung auf dem Neumarkt den Aufbau neuer Schuldenkrisen in ihren Liegestühlen schlichtweg verschlafen.

Ob die echten Finanzminister im wenige Meter entfernten Residenzschloss das Weckerrasseln gehört haben? Am gleichen Abend nahm jedenfalls Wolfgang Schäuble überraschend am Gottesdienst von erlassjahr.de zum Thema „... wie auch wir vergeben unseren Schuldnern“ teil. Dort hörte der Finanzminister sich die Predigten des Bischofs des katholischen Bistums Dresden-Meißen Heiner Koch und des Landesbischofs der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens Jochen Bohl an, die sich für den Erlass untragbar hoher Auslandsschulden im Rahmen fairer Verfahren aussprachen.

Im Vorfeld hatte erlassjahr.de im Rahmen der bundesweiten Kampagne „Höchste Zeit für die Lösung der Schuldenkrise“ die Finanzminister der G7-Staaten aufgefordert, endlich die Realität von Schuldenkrisen anzuerkennen und sich an der Erarbeitung von Lösungen zu beteiligen. Symbolisch für über 2.000 Unterschriften übergab Kristina Rehbein von erlassjahr. de im Anschluss an die Öffentliche Anhörung mit internationalen Schuldenexpert/innen einen Wecker an Dr. Ludger Schuknecht, Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium. Es bleibt zu hoffen, dass Herr Schuknecht damit seine Kolleginnen und Kollegen im Finanzministerium aufweckt. Wie notwendig ein faires Entschuldungsverfahren ist, machte Dr. Fanwell Bokosi vom Afrikanischen Forum und Netzwerk für Schulden und Entwicklung zu Beginn der Veranstaltung deutlich:

„Wir müssen eine Entscheidung treffen: Wollen wir unsere Kinder sterben lassen oder wollen wir unsere Schulden bezahlen?“ 

Letzte Änderung am Freitag, 21 August 2015 21:18

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